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Alte Bauten und ihre Bedeutung für unsere Bürgergesellschaft

Wem gehört meine Stadt?

Wem gehört meine Stadt? Wer kann das bezahlen: Alte Bauten und ihre Bedeutung für unsere Bürgergesellschaft.

Veranstaltung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz (DNK) am 6.Mai 2014 im Gebäude der Patriotischen Gesellschaft Hamburg.

Der Titel der Diskussion - 3. Teil einer 5-teiligen Reihe - provozierte mich durch Unterstellungen und Fragen: Beziehe ich überhaupt das besitzanzeigende Fürwort "meine" auf die Stadt, in der ich lebe? Habe ich das jemals unbefangen getan? Wenn ja, welches war der Grund dafür? Gilt dieser Grund nicht mehr, da ich nachdrücklich auf andere Besitzverhältnisse hingewiesen werde (Wem gehört meine Stadt) Sind die Besitzer die Zahlungskräftigen - eigentlich schon immer oder derzeit und seit wann? Und dann: Wer kann das bezahlen, Doppelpunkt - nämlich sowohl "alte Bauten" als auch ihre Bedeutung für "unsere" Gesellschaft, die als "Bürgergesellschaft" bezeichnet wird. Also: Sollten alte Bauten überhaupt eine Bedeutung haben, muss dieses Verhältnis schliesslich bezahlt werden, was nicht (mehr) selbstverständlich ist - die Gelder des schlichten anonymen Steuerzahlers reichen, scheint es, dazu nicht aus. (Warum nicht?)

Vielleicht nicht von derart pingeligen Überlegungen bewegt, aber dennoch anscheinend angeregt durch den einfach klingenden Titel der Veranstaltung, von der man sich wohl auch einige Klärung über die seit längerem Hamburg umwälzenden Abriss- und Baumassnahmen und die eigene Haltung dazu erhoffte, fand sich zahlreich ein Publikum aller Altersgruppen und Einkommensschichten ein - die weniger bemittelten wohl in der Minderzahl.

Um es vorab zu sagen: Der ausdrückliche Bezug auf die hamburgische Situation blieb bis auf Randvermerke zu "Unternehmensschlössern" der Hafencity und zum "Gängeviertel" und der "neuen Gesellschaftsform seiner Künstlergruppen" auf der Strecke, bzw. blieb er der Geduld und Aufmerksamkeit der Zuhörer überlassen, Parallelen von der modernen ( Stadt-) Zivilisation in Deutschland und in anderen Ländern zur hamburgischen Situation zu finden. Jedenfalls wurde der stark besetzte Saal nach der ersten halben Stunde etwas übersichtlicher.

Zu dem Gespräch, von dem ich meine anfangs formulierten und keineswegs ausreichenden Fragen berührt fand, waren die eingeladenen Referenten höchst qualifiziert: Hier Internet- Auskunft über ihre Arbeit, aus deren eindrucksvollem Umfang ich nur einige Schwerpunkte nenne, die mir in der Diskussion einigermassen deutlich wurden:

Juli Zeh, geb. 1974 in Bonn, mit zahlreichen Preisen auf allen ihren Arbeitsgebieten ausgezeichnet, ist promovierte Juristin, höchst produktive Verfasserin von zeitkritischen Romanen, Theaterstücken, Artikeln und kritischen Eingaben, auch an die Bundesregierung, (zuletzt zur NSA-Affäre), im Kampf gegen den Verlust der Intim- und Privatsphäre und damit der Identität durch zunehmende Überwachung und durch Verlust überlieferter Werte.

Harald Welzer, Jg. 1958, Soziologe, ist seit 2012 Professor für Transformationsdesign an der Universität Flensburg, beschäftigt sich also mit der Umwandlung von Tradiertem, ist Direktor der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei, Berlin. Sein Buch Selbstdenken (2013) ruft laut Internettext zum Widerstand gegen "Wachstumskultur" auf. In einer Reihe von international veröffentlichten Büchern, Aufsätzen und Rundfunkbeiträgen untersucht er die Funktion von Erinnerung.

Ira Mazzoni, Jg. 1960, dt. Kunsthistorikerin, Architekturkritikerin aus München, vielfach mit Preisen (auch vom DNK, s.o.) gewürdigt, hat z.B. über Abrisswahn im Osten - Ende der Kulturpaläste, 2011 (Beispiel: die Nutzungs- und Finanzprobleme um den ehemaligen Kulturpalast der Bergarbeiter in Rabenstein bei Chemnitz) geschrieben und eine Diskussion im Internet initiiert. Sie leitete das Gespräch, dessen Inhalt ich im folgenden auszugsweise, ohne Anspruch auf Chronologie der Beiträge und genausten Wortlaut wiederzugeben versuche:

Unmut der Stadtbewohner entzündet sich an dem Umgang mit öffentlichem und privatem Eigentum, das zunehmend Investitionsobjekt geworden ist. Es werden teure "Fassaden" aufgerichtet, deren Mitteilung - auch für Touristen - einmal überprüft werden müsste. Vereinbart sich diese Mitteilung mit dem Selbstbild der Stadtbewohner? Erst dann könnte "Identität", Teilhabe an der Stadt als sozialem Ort, hergestellt werden. (Welzer/Zeh) - Zu "gutem Leben" gehören Räume für Begegnungen ohne (Konsum-) belästigung. Dafür braucht man wenig neue Bauten und wenig Entscheidungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. (Welzer) - Überwiegend in der Stadtentwicklung ist aber leider der Gesichtspunkt "Effizienz". Wegen Geldgewinns wird "privatisiert". Ebenfalls "effizient" scheint dabei die Raumbesetzung durch immer gleiche Unternehmen (z. B. findet man "Starbucks" in vielen Städten, in ähnlichen Ensembles, die dadurch austauschbar werden und "Identität" zerstören oder Identitätsbildung verhindern. (Zeh) - Dabei ist das Moment der Kontrolle deutlich: Einen Ort nach Belieben aufzusuchen ohne zu konsumieren, wird schwierig. Auch ist alles nach dem Auto strukturiert (Wege, Parkplätze, temporäre Begrünungen), von dem man die Leute allerdings nicht wegkriegt (Zeh) - Stimmt nicht (Welzer).

Die Ausrichtung am "Effizienzgedanken" zerstört "Denkmäler" oder lässt sie zu Event-Garanten verkommen. Dabei bedeutet ein Denkmal für wache Bürger einer Zivilgesellschaft einen Bezugspunkt, Identitätsressourcen. (Welzer) Denkmäler zu bewahren ist ein legitimes Bedürfnis nach Dingen ohne Zweckgebundenheit. (Zeh).

Es scheint, dass vielfach Stadtentwicklung vom "Fortschrittsdiktat" bestimmt ist. Das negative Ergebnis konnte man an Leipzig sehen (wo J. Zeh studiert hat) Als Leipzig noch arm war, alles weniger durchorganisiert, gab es für die Bürger mehr Freiräume und damit lebenswertes Leben. Nach der neuen Durchgestaltung sind die Freiräume weg. (Zeh) Es muss neue Formen der Bürgerbeteiligung geben (Zeh), und Harald Welzer führt als Beispiel Lissabon an, wo Leute aus den Stadtquartieren Vorschläge für die Gestaltung machten und auch für die Durchführung verantwortlich waren.

Einige Probleme, insbesondere unmittelbar auf Hamburg bezogene, wurden nur gestreift, so dass es sich um sog. Denkanstösse handelte. Damit unzufriedene Zuhörer wurden auf die Debattiermöglichkeit untereinander bei vorbereitetem Imbiss verwiesen. Empfohlen zur Lektüre: Die Veröffentlichungen der Diskutanten.

Autor: G.B.

HBZ · 07/2014
 
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