VHSt - Hamburgischer Verein für den öffentlichen Dienst
Hamburgischer Verein für den öffentlichen Dienst
 
Aktuelle Ausgabe
Titelfoto: © Ansicht des Chilehauses (c) stahlpress

Das Mitgliedermagazin

Hamburgische Zeitschrift für den öffentlichen Dienst

 

Mitglied werden

Profitieren Sie von der Mitgliedschaft im VHSt. Einfach ausdrucken und ausgefüllt an uns senden.

 

BESONDERE VERANSTALTUNGEN


 

Top-Themen

Ein Besuch im Deutschen Leder- und Schuhmuseum in Offenbach

Leder: kunstvolle Hülle für einen wertvollen Inhalt

Leder - ein natürliches, haltbares und schönes Naturprodukt.

Neben Holz, Stein und Wolle gehört Leder zu den ältesten Materialien, die Menschen genutzt haben. Heute gibt kaum einen Haushalt, der nicht zumindest ein Produkt aus Leder hat. Die Produktpalette ist riesengross. Kein Wunder, denn gegerbte Tierhaut ist ein sehr robustes und vielfältig einsetzbares Material. Früher wurden beispielsweise auch Teile von Waffen aus Leder gefertigt - heutzutage sind es vor allem alltägliche Gebrauchsgegenstände, die aus dem Naturmaterial hergestellt werden.

Mit 62 Prozent stammt das meiste Leder weltweit vom Rind, gefolgt von Schaf (15 Prozent) und Schwein (elf Prozent). Aus mehr als der Hälfte des weltweit hergestellten Leders werden Schuhe produziert: Im Jahr 2007 waren es laut Internationalem Verband der Gerber 52 Prozent. Dafür sind je nach Modell ganz unterschiedliche Lederarten notwendig - von festem Leder für die Sohle bis hin zu weichem Material für das Oberteil des Schuhs, das Oberleder genannt wird.

Rund 14 Prozent der gegerbten Tierhäute werden in der Möbelindustrie weiterverarbeitet. Mit gut zehn Prozent liegt die Autoindustrie bei der Lederverwendung an dritter Stelle. Neben den Sitzen, die vor allem in teuren Modellen meist mit dem edlen Naturmaterial bezogen sind, wird teilweise auch das Cockpit mit Leder verkleidet.

Den grössten Anteil des im Jahr 2007 hergestellten Rinderleders hatte laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) China, gefolgt von Indien und den USA.

Das DLM Deutsche Ledermuseum Offenbach vereinigt drei Museen unter einem Dach: das Deutsche Schuhmuseum mit internationaler Fussbekleidung aus vier Jahrtausenden und einer Kunstgalerie, das Museum für angewandte Kunst mit Kunsthandwerk und Design vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Schwerpunkt Leder und das Ethnologische Museum mit den Abteilungen Afrika, Amerika, Asien.

Das Deutsche Schuhmuseum - ist ein Spezialmuseum eigener Art mit über 15.000 Artefakten. Neben einer Darstellung der internationalen Kostümgeschichte aus sieben Jahrtausenden erlaubt die Sammlung auch Einblicke in die gesamte Geistes- und Kulturgeschichte der Menschheit angesichts von dreieinhalb Jahrtausende alten Sandalen aus ägyptischen Mumiengräbern, Stiefelamuletten und schuhförmigen Gefässen des 8. vorchristlichen Jahrhunderts aus Luristan, perperlenbestickten Mokassins von den Great Plains, Chopinen der italienischen Renaissance, chinesischen Gin Lien, Plateausandalen aus osmanischen Harems, den Seidenstiefeln der Kaiserin Sissy und den Turnschuhen Joschka Fischers.

Eine der jüngsten Neuerwerbungen sind die rekonstruierten Bergschuhe der Ötztalmumie: es sind nicht etwa derbe Fellstiefel, die in primitiver Weise um die nackten Füsse geschnürt wurden, sondern fein genähte Lederpantoffeln mit einem robusten Innenschuh aus Faserschnüren und mit Heufüllung. "Ötzi" trug dazu vor über 5000 Jahren bereits Leggings wie die Indianer Nordamerikas. Die ältesten Schuhe der aussereuropäischen Sammlungen stammen aus dem Ägypten der 18. Dynastie (um 1400 v. Chr.) sowie von den christlichen Kopten aus dem Niltal (2. bis 8. Jahrhunderts). Auch Sandalen aus Peru (5. - 8. Jahrhundert) sowie alt-persische und anatolische Tonstiefelgefässe gehören zu den bemerkenswerten Objekten. Vor rund 5000 Jahren ging es vor allem darum, die Füsse vor Hitze, Kälte und gefährlichen Untergründen zu schützen; heute sind sie vor allem für Frauen ein Modegegenstand: Schuhe.

Schuhe können Macht und Erotik repräsentieren

Vor1800 Jahren trugen die Kurtisanen in Alexandria Schuhe, aus deren Sohlenabdruck in weichen Boden man die Aufforderung lesen konnte: FOLGE MIR! Vor 2800 Jahren tranken die altiranischen Reiterkrieger Luristans Rauschgift aus Tonstiefeln. Gegen feindliche Magie schützten sie sich damals mit Stiefelamuletten. Der Brautschuh wurde in Europa bis ins letzte Jahrhundert nach der Hochzeitsnacht als ein Garant der Fruchtbarkeit aufbewahrt, im zierlichen Damenpantoffel sah man einen direkten Hinweis auf Intimität und Erotik.

So wie der Teil für das Ganze stehen kann, so bildet der Schuh den Menschen ab. Ein Reitstiefel symbolisiert den Macho, ein hochhackiger Pumps die verführerische Frau. Im schöpferischen Umgang mit solchen Denk- und Gefühlsmustern haben Künstler seit Anfang des 20. Jahrhunderts eine Vielfalt von Bildern, Skulpturen, Objekten und Assemblagen geschaffen, die den Betrachter zum Lächeln und zur Nachdenklichkeit anregen können.

zeigt einen Ausschnitt aus der Entwicklung der westlichen Kunst seit Pop Art und Neorealismus der 1960 Jahre. Das Material entwickelt eine sinnliche Ausstrahlung, etwa dann, wenn wohlgeformte Frauenbeine eng in schwarzes Leder gehüllt erscheinen. Doch die Vertauschung von gewohnten Werkstoffen, etwa bei Schuhen aus Blech, verführt unsere Imagination in surrealistische Bereiche des Traums und des Unterbewussten. Auch das Spiel mit den Geschlechterrollen kann verunsichern, wenn Männer mit High Heels zugleich Gefährlichkeit und Gefährdung signalisieren oder wenn eine phallische Stele mit Ballerina Schuhen die Popularität von maskulin und feminin in eine rituelle Sphäre verlagert.

Leder: kunstvolle Hülle für einen wertvollen Inhalt.

Das Museum für angewandte Kunst umspannt das gesamte Spektrum der europäischen Kunstgeschichte von ägyptisch-koptischen verzierten Gürteln und Taschen und spätromanischen Buchfutteralen über die Gotik mit einer bedeutenden Sammlung von Minnekästchen, reich verzierten Prunkwaffen und Mobiliar der Renaissance bis zu den erlesensten Produkten der Handwerkskunst an den adeligen Höfen und in den bürgerlichen Häusern des 17. bis 19. Jahrhunderts.

Zu bewundern ist die hohe handwerkliche Qualität der handvergoldeten, geprägten und bemalten Kabinettschränkchen, Reliquienkästen und Tapeten, die feinen Verzierungen der Taschen, Sättel, Gürtel und Kleidungsstücke aus Leder, die aufwendig geschmückten und verarbeiteten Bucheinbände Europas und des Orients und natürlich die Highlights: das grösste heute bekannte "Einhorn" mit einem seinem damaligen enormen Wert entsprechenden rotledernen, vergoldeten Futteral, die Aktentasche Kaiser Napoleons I. von Frankreich oder das franko-flämische Minnekästchen "Die schlafende Ritterlichkeit", aus der 2. Hälfte des 14. Jahrhunderts, zu dem es vergleichbare Stücke nur in Paris und New York gibt und und und…

Der Lederartikel als Gebrauchsgegenstand wird im Kontext seiner Zeit präsentiert: von der Reisetruhe und der zerlegbaren Toilette über die Schrankkoffer zum Kleidersack des modernen Viel-Reisers - vom mittelalterlichen Siegelfutteral über Napoleons Aktentasche zum Attaché-Case mit Platz für Laptop und Handy.

Reliquienkästen, liturgisches Gewand und in Schweinsleder gebundene Schmähschrift gegen Martin Luther - Falkenhaube, Falkner Handschuh, Pulverflasche, der Fussball, die Cricket-Ausrüstung und der Boxhandschuh. Militaria und gleich daneben der Bereich der Orthopädie, die auch heute die Vorzüge des vegetabil gegerbten Leders gegenüber dem Kunststoff zu schätzen weiss.

Und nicht zuletzt besitzt das Museum die grösste Sammlung von Handtaschen in Europa. Vom Beutel des 15. Jahrhunderts bis zur eleganten Damenhandtasche des Jugendstils, der hochwertigen Taschen und Stadtrucksäcke der 2. Jahrtausendwende reichen die Sammlungen.

Das Ledermuseum in Offenbach mit seiner einmaligen und faszinierenden Präsentation ist immer ein Besuch wert!

Autor: VHSt / DLM Offenbach
Fotos: Severin

HBZ · 02/2015
 
Weitere Meldungen:

Geschichten aus Hamburgs Geschichte

Das Chilehaus

Ikone des Backsteinimpressionismus: Das Chilehaus wurde vor 100 Jahren fertiggestellt...
HBZ · 3/2024
 

Nachwuchsnetzwerk zu Besuch

Neujahrsfeier YouNet

Auch in diesem Jahr fand die Neujahrsfeier des Nachwuchskräftenetzwerks YouNet in den Räumlichkeiten des Vereins Hamburger Staatsbeamten r. V. statt....
HBZ · 3/2024
 

Erfolgreichster Bildungsminister Deutschlands tritt ab

Schulsenator a. D. Ties Rabe

Es ist mehr als ungewöhnlich, dass ein scheidender Bildungsminister mit Lob überhäuft wird....
HBZ · 3/2024
 

Ihr Recht in der Praxis

Schlechte Bewertung - was tun?

Heute möchte ich Ihnen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema "Beurteilung" vorstellen (Urteil des 2. Senats vom 12. Oktober 2023, Aktenzeichen 2 A 7.22) - ...
HBZ · 3/2024
 

Das Netzwerk des Führungsnachwuchses

Die Ratten-AG

Sie nennen sich selbst "Ratten". Es zeugt von Selbstbewusstsein und Humor, sich nach Tieren zu benennen, die viele eher als Schädlinge betrachten würden. Dabei gelten die Nager zugleich ...
HBZ · 3/2024
 

Keine Angst vor dem Finanzamt

Einkommenssteuerberatung des VHSt

Der erfahrene Steuerberater Jörg Hahn berät alle Mitglieder des Vereins Hamburgischer Staatsbeamten kompetent rund um das Thema Steuererklärung - kostenlos. Fu...
HBZ · 3/2024
 
 
 
 

TOP