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Der VHSt - mehr als ein Verein! Die meisten Mitglieder kommen aus den verschiedensten Bereichen des öffentlichen Dienstes. Viele führen oder führten interessante, nicht alltägliche Funktionen aus. In lockerer Folge stellen wir Mitglieder vor, um aufzuzeigen, wie verschiedenartig sich die VHSt-Familie zusammensetzt.

Wir hatten uns mit Norbert Curtius, Steuerbeamter im Ruhestand, im Traditionslokal "El Greco" der Bergedorfer Stadtteilgruppe an der Bergedorfer Kirche verabredet. Ungestört in einer gemütlichen Fensterecke sprachen wir mit ihm, der im Herbst 90 Jahre alt wird, über seine interessante und bewegende Biographie.

Geboren in Breslau/Wroclaw wurde er 1943 zum Kriegsdienst eingezogen, zunächst an der Ostfront und zum Schluss zur Verteidigung der Festung Breslau eingesetzt. Er kann sich genau erinnern, wie sie am 6. Mai in russische Kriegsgefangenschaft gerieten. Es war ihnen damals nicht bekannt, dass Deutschland kapituliert hatte. Nach wenigen Wochen in einem Lager wurden sie von den Russen in einem nahegelegenen Gut, welches von einer Steinmauer umgeben war, provisorisch untergebracht. Der Weitertransport sollte am nächsten Morgen Richtung Osten erfolgen.

Er ahnte Furchtbares, was ihn dort erwarten würde. Denn aus einem Buch über den Ersten Weltkrieg hatte er erfahren, welche unsäglichen Strapazen und Torturen die Gefangenen damals in sibirischen Lagern erleiden mussten. Für ihn stand fest, alles Menschenmögliche zu unternehmen, um nicht nach Sibirien verschleppt zu werden. Mit einem Kameraden erspähte er vor dem Abmarsch ein kleines Loch in der Mauer. Beiden gelang es, sich im allgemeinen Chaos hinter der Mauer zu verstecken. Glücklicherweise wurden sie nicht entdeckt.

Sie schlugen sich dann Richtung Westen durch, vermieden Wälder und Nachtmärsche, um nicht mit Partisanen verwechselt zu werden. Nach Tagen kamen sie in einem Dorf an. Dort versorgten sie hilfsbereite Einwohner mit Zivilklamotten, da sie ja immer noch Uniform trugen.

Es gelang ihm dann, nach Hirschberg im Riesengebirge zu gelangen, wo es mit seinen Eltern und auch mit seiner Tante ein glückliches Wiedersehen gab.

1946 wurden sie nach Norddeutschland ausgewiesen. Hier fand er bei einem Bauern in der Nähe von Winsen eine Beschäftigung und begann dort eine Lehre als Landwirt. Anschliessend besuchte er die höhere Landbauschule in Witzenhausen und schloss mit dem Diplom als Agrar-Ingenieur ab. Danach arbeitete er als Wirtschaftsberater für landwirtschaftliche Betriebe. Jahre später kam er nach Hamburg. Hier wurde er auf die Ausschreibung der Finanzbehörde aufmerksam, die dringend Nachwuchskräfte für die Steuerverwaltung suchte.

Er bestand den Eignungstest, absolvierte erfolgreich die Steuerbeamten-Ausbildung und wurde dann im Jahr 1960 dem Finanzamt Bergedorf als Steuerinspektor / landwirtschaftlicher Betriebsprüfer zum Dienst zugewiesen. Seine Ausbildung als Agrar-Ingenieur kam ihm dabei sehr vonstatten. Sehr schnell erwarb er sich fachliche Wertschätzung sowohl im Finanzamt als auch bei den landwirtschaftlichen Betrieben, die er prüfte. Sein Dienst als landwirtschaftlicher Betriebsprüfer bereitete ihm Freude und er ging gerne zur Arbeit. Weniger Freude bereitete ihm aber die damals noch streng hierarchisch ausgerichtete und verkrustete Struktur in der Steuer- und auch öffentlichen Verwaltung. Hinzu kamen Ärgernisse mit seinem Vorgesetzten.

Inspiriert von der in den sechziger Jahren beginnende öffentliche Diskussion über mehr Demokratie in der Verwaltung besorgte er sich einschlägige Fachliteratur, arbeitete sich in die umfangreiche Materie ein, entwickelte Mitbestimmungs- und Mitverantwortungsmodelle für eine effiziente Verwaltung, erarbeitete Vorschläge für eine schlanke Verwaltung, die Optimierung der Aus- und Fortbildung, eine Modernisierung des Beurteilungswesens, die Delegation von Verantwortung, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und, und….

In einem umfangreichen Denkmodell hat er seine Gedanken zusammengefasst. Natürlich war ihm bewusst, dass er zur damaligen Zeit an einem riesengrossen Rad drehte und er seine Ideen nur mit Veränderungen innerhalb der Verwaltungshierarchie und vor allem nur mit einer breiten insbesondere politischen Öffentlichkeit weiter verfolgen kann. Deshalb engagierte er sich mit seiner Denkschrift als Denkmodell in der Deutschen Steuergewerkschaft, auf parteipolitischer und kommunaler Ebene, führte Schriftwechsel mit dem Senatsamt für den Verwaltungsdienst/ der Steuerverwaltung, vertrat in Gremien und Arbeitskreisen seine Positionen. Dabei musste er immer wieder feststellen, dass ein notwendiger Umdenkungsprozess nur sehr schwerfällig ins Laufen kam und er nicht überall willkommen war.

So überraschte es ihn auch noch nicht, dass er vier Jahre vor seinem Ruhestand vom Finanzamt Bergedorf noch zum Finanzamt Hamburg Nord versetzt wurde, in dessen Bezirk ja kaum landwirtschaftliche Betriebe liegen.

Norbert Curtius resümierte noch einmal kurz, um dann als Fazit festzuhalten: "Ja, es war eine aufregende, bewegte Zeit in meiner Jugend und in meinem Berufsleben. Ob es mittlerweile wirklich einen modernen Umstrukturierungsprozess in der öffentlichen und speziell auch in der Steuerverwaltung gegeben hat, kann ich nicht beurteilen. Wenn ich mit meinem damaligen Engagement auch nur einen ganz kleinen Teil mit dazu beigetragen habe, würde das mich besonders freuen.

Und so freue ich mich jedes Mal auf die HBZ, wenn aktuelle Berichte über eine weitere Modernisierung der öffentlichen Verwaltung veröffentlicht werden, besonders dann, wenn ich dabei an eine meiner früheren Ideen erinnert werde".

Nach dieser interessanten Begegnung machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum S-Bahnhof Bergedorf, wo er zielstrebig den nächsten Zug Richtung Hamburg ansteuert.

An der nächsten Station stieg er aus und winkte zum Abschluss noch einmal freundlich durch das Abteilfenster.

Autor: VHSt
Fotos: Fotos: Severin

HBZ · 04/2015
 
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