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Ein Besuch der HBZ-Redaktion beim Seegerichtshof

Internationaler Seegerichtshof Hamburg

Seit 1996 wird in Hamburg über internationales Recht entschieden. 21 Richter des Internationalen Seegerichtshofes in Hamburg (ISGH/ ITLOS) urteilen insbesondere über alle Streitigkeiten im Seevölkerrecht nach dem Seerechtsübereinkomen.

Streitigkeiten können die Abgrenzung von Meeresgebieten, die Schifffahrt, die Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden Ressourcen des Meeres sowie den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt und die wissenschaftliche Meeresforschung betreffen.

Unser erster Eindruck war beeindruckend. Inmitten einer gepflegten Parkanlage mit altem Baumbestand an der Elbe und einem faszinierenden Blick auf Containerschiffe und Hafenkräne im noblen Stadtteil Nienstedten residiert das Gericht. Eigens für den Seegerichtshof hat Hamburg das repräsentative, funktionale Gebäude errichtet, um den Richtern aus aller Welt ein harmonisches und angenehmes Ambiente zu bieten. Dieses Bauwerk - nach Norden in zwei geraden Schenkeln verlaufend und nach Süden halbkreisförmig die Villa Schröder umfassend - hat viel Geld gekostet. Vom Glasfußboden der Übergänge über die Türdrücker und die gerundete innere Wandverkleidung bis zu den Treppenwangen aus gebogenen Glas - kein Detail, das nicht eine Sonderanfertigung für das Gebäude wäre. Beeindruckend für den Besucher ist u.a. auch die hochmoderne Kommunikationstechnik, die jedem Richter an seinem Platz im Sitzungssaal ermöglicht, nicht nur an großen Bildschirmen die Beweismittel zu Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch noch individuell verfolgen zu können. Und in zwölf technisch hoch ausgestatteten Dolmetscherkabinen werden Sprachprobleme gelöst.

Die Eingangshalle schmücken zahlreiche Geschenke verschiedener Länder. Die tunesische Regierung überreichte dem Tribunal das Mosaik "Triumph des Neptun" zur Einweihung. Der Hindugott Shiva ist ein Geschenk Indiens. Die Bronzestatue zeigt den Tandava, einen Tanz, der den kosmischen Kreis von Entstehung und Zerstörung repräsentiert.

Das Modell (1:16) der "Wappen von Hamburg" ist ein Geschenk der Stadt zur Einweihung des Gerichtsgebäudes; im 17. Jahrhundert schützte das Schiff im Auftrag der Hansestadt die Handelsschiffe. Und die Flaggen aller UN-Mitgliedsstaaten sind ein Geschenk der Vereinten Nationen an das Tribunal.

Bis Mai 1997 stand auf dem Parkgrundstück die Villa Schröder, ein ehemaliger Landsitz, das der Bankier Frensdorf Anfang der Siebziger Jahre des vorletzten Jahrhunderts errichten ließ. Später erwarb dann der Kaufmann Rudolf Freiherr von Schröder den Landsitz. Im Rahmen des Neubaus für das Gericht wurde die Villa komplett entkernt, nur die Fassade blieb stehen. Mit viel Aufwand hat man Stuck, Fenster, Türen und Fußbodenfliesen nachkonstruieren oder restaurieren lassen.

Wie für den Park, so stellt die Villa Schröder auch für die Anordnung des Neubaus das Zentrum dar. Als Pendant zur Villa setzt sich der große Sitzungssaal als geistiger und funktionaler Mittelpunkt des Neubaus baulich vom geschwungenen Baukörper ab und öffnet sich zur Elbe.

Hamburg wurde Sitz des ISGH

Am 21. August 1981 bestimmte die III. VN-Seerechtskonferenz Hamburg zum Sitz des ISGH. Das Bundeskabinett beschloss 1986, für den ISGH ein Dienstgebäude auf einem bundeseigenen Grundstück in Hamburg zu errichten und einschließlich Inneneinrichtung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Am 14.12.2004 wurde das Sitzstaatabkommen mit dem ISGH unterzeichnet. Das Sitzstaatabkommen stellt die Ansiedlung des Internationalen Seegerichtshofs auf eine gesicherte rechtliche Grundlage und regelt die Rechte und Befugnisse des ISGH sowie seiner Richter und Bediensteten in Deutschland. Mit dem ISGH hat erstmals eine bedeutende Rechtsinstitution aus dem weiteren VNBereich ihren Sitz auf deutschem Boden.

Wer das Gericht betritt, befindet sich rechtlich gesehen nicht mehr in Hamburg, sondern auf internationalem Gebiet. Zehn Millionen Euro stellen die Unterzeichner des Seerechtsübeinkommens jedes Jahr für den Unterhalt zur Verfügung. Dafür sind die Prozesse gratis. 167 Staaten und die EU sind dem Übereinkommen bisher beigetreten. Die USA, Peru und die Türkei nicht.

Wie setzt sich das Gericht zusammen?

Die Richter aus aller Welt sind bestellt, um die internationale Seerechtskonvention auszulegen, die von 167 Staaten unterzeichnet wurde.

Dem Internationalen Seegerichtshof gehören 21 Richter an, die von den Vertragsstaaten des Übereinkommens für neun Jahre gewählt werden. Eine Wiederwahl ist möglich. Zur Sicherstellung der Kontinuität wird alle drei Jahre ein Drittel des Richtergremiums neu gewählt. Präsident des Internationalen Seegerichtshofs ist seit Oktober 2014 Vladimir Vladimirovich Golitsyn (Russische Föderation).

Die Richter sind Vertreter der hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt, wobei eine gerechte geografische Verteilung auf die fünf geografischen Gruppen gewährleistet wird, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen festgelegt wurden (afrikanische Staaten, asiatische Staaten, europäische Staaten, Staaten Lateinamerikas und der Karibik sowie westeuropäische und andere Staaten). Am 1. August 1996 fand in New York die erstmalige Wahl der Richter des Gerichtshofs durch die Vertragsstaaten statt. Zu ihnen gehört auch der deutsche Völkerrechtler Prof. Dr. Rüdiger Wolfrum, der 1999 (bis 2008) und 2008 (bis 2017) wiedergewählt worden ist. Von 2005 bis 2008 amtierte Prof. Wolfrum als Präsident des Internationalen Seegerichtshofs.

Worüber urteilt das Gericht?

Der Internationale Seegerichtshof entscheidet in Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Seerechtsübereinkommens. Er kann nicht nur von den Vertragsstaaten oder internationalen Organisationen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch von natürlichen und juristischen Personen angerufen werden. Er ist bisher in 25 seerechtlichen Streitfällen eingeschaltet worden.

Der ISGH ist zentraler Bestandteil eines umfassenden Streitbeilegungssystems, dem sich die Vertragsstaaten für alle zwischen ihnen entstehenden Streitigkeiten über Auslegung oder Anwendung des Seerechtsübereinkommens (SRÜ) unterworfen haben. Er besitzt in einigen Fällen ausschließliche Zuständigkeiten, etwa bei bestimmten Streitigkeiten im Meeresbodenbergbau, für welche eine eigene "Kammer für Meeresbodenstreitigkeiten" vorgesehen ist. Parteien am Verfahren können hier nicht nur Staaten oder internationale Organisationen, sondern auch natürliche und juristische Personen sein. Auch bei Dringlichkeitsverfahren zur sofortigen Freigabe eines von einem anderen Staat zurückgehaltenen Schiffes besteht, falls die beteiligten Staaten sich nicht binnen zehn Tagen einigen können, eine ausschließliche und bindende Gerichtsbarkeit.

Außer dem Präsidenten arbeiten die Juristen nur zeitweise in Hamburg. Haben die streitenden Parteien ihre Meinungen schriftlich ausgetauscht, kommen die Richter von allen fünf Kontinenten für die ein bis zwei Wochen dauernden Verhandlungen eingeflogen. Spätestens nach sechs Monaten verkünden sie das Urteil. Geht es um akute Umweltschäden oder festgesetzte Schiffe, urteilen die Juristen sogar innerhalb von 30 Tagen. Und alles live im Netz. "Wir wollen vor allem transparent und effizient sein", berichtete Pressereferentin Julia Ritter. Bevor Staaten oder andere Organisationen sich an das Gericht wenden, müssen sie versucht haben, sich zu einigen. Die Vertreter der Parteien sind immer hochrangig: Konsuln, Ministeriumsvertreter, internationale Anwaltskanzleien und Professoren aus Oxford, Yale und Co.

"Die Schaffung des Gerichts und des Übereinkommens, das seine Grundlage bildet, ist eine der größten Errungenschaften der Vereinten Nationen"


Seerechtsübereinkommen ist Meilenstein im Völkerrecht

In mehr als 320 Artikeln regelt das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UN) alle Bereiche des Seevölkerrechts. Zum Beispiel legt es fest, wo das Hoheitsgebiet der Küstenländer endet und wie die Schifffahrt und Fischerei Ozeane nutzen dürfen. Es enthält Vorschriften zum Schutz der Meeresumwelt, der Piraterie und des Meeresbodenbergbaus. Das SRÜ ist der umfangsreichste Vertrag der UN. 1982 wurde es verabschiedet, brauchte aber zwölf Jahre, bis ausreichend Staaten es ratifiziert haben. Obwohl schon Anfang der 50er-Jahre klar war, das Regeln dafür fehlten, was auf und in den Ozeanen erlaubt ist. Denn immer mehr Länder wollten Ressourcen aus dem Meer nutzen, sie vergrößerten ihre Fischerei und Ölförderungsgebiete. Immer öfter kam es zu entsprechenden Konflikten. Am 16. November 1994 ist es in Kraft getreten und am 18. Oktober 1996 fand dann die feierliche Gründung des Seegerichtshofes mit der Grundsteinlegung in Hamburg statt. Die Hansestadt setzte sich damals gegen Lissabon und Split durch.

Entscheidungen

Der ISGH hat inzwischen in zahlreichen seerechtlichen Streitfällen Entscheidungen getroffen. Dabei ging es um ein breites Spektrum von Rechtsfragen, überwiegend im Zusammenhang mit der sofortigen Freigabe von Schiffen, die wegen des Vorwurfs der illegalen Fischerei festgehalten wurden. 25 Fälle wurden an der Elbe schon behandelt. Vor allem Fall 22, in dem die Niederlande die Freilassung der Crew des Greenpeace- Schiffes "Arctic Sunrise" forderte, erregte Aufsehen und verhalf dem Tribunal zu mehr Bekanntheit.

Wichtige Entscheidungen ergingen im Februar 2011 in Form eines Rechtsgutachtens zu Umwelt- und Haftungsstandards bei Aktivitäten auf dem Meeresboden (Fall 17), im März 2012 als Urteil im Streit um den Verlauf der Seegrenze zwischen Bangladesch und Myanmar im Golf von Bengalen (Fall 16), im November 2013 im Wege einer einstweilige Anordnung zur Freigabe des Greenpeace- Schiffs "Arctic Sunrise" im Verfahren Königreich der Niederlande gegen Russische Föderation (Fall 22) sowie im April 2015 in einem Rechtsgutachten, in dem der ISGH seine allgemeine Gutachtenkompetenz bejahte (Fall 21). Neben Staaten dürfen auch Unternehmen das Tribunal anrufen - zum Beispiel solche, die Meeresbodenbergbau betreiben.

Am Gericht wird Englisch und Französisch gesprochen. Die etwa drei Dutzend Mitarbeiter kommen aus 18 Ländern. Pressereferentin Julia Ritter kommt aus Großbritannien.

"Die Schaffung des Gerichts und des Übereinkommens, das seine Grundlage bildet, ist eine der größten Errungenschaften der Vereinten Nationen", gibt uns Pressereferentin Julia Ritter zum Abschied mit auf den Weg. Ihr gilt der besondere Dank der Redaktion für die freundliche Aufnahme, die Präsentation des Gerichtsgebäudes und die informative journalistische Betreuung!

Autor: VHSt (Quelle ISG)
Fotos: Dietrich Severin / ISGH / Luftbild YPScollectin

HBZ · 06/2017
 
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