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Besuch im Kohlosseum in Wesselburen

Die Kraft des Krauts

Nähert man sich Wesselburen, dem traditionsreichen Zentrum der Nordermarsch auf halbem Wege zwischen Heide und Büsum, so erhebt sich aus der flachen Marsch nicht nur schon von weitem sichtbar, die alte wuchtige Kirche mit dem einzigartigen Zwiebelturm auf ihrer hohen Wurt, sondern auch gleich am südlichen Ortseingang ein imposantes Gebäude von architektonischer Eleganz: die "Historische Fabrik".

Im ersten Moment scheint dem Betrachter die Zeit stehen geblieben zu sein, so sauber und farbenprächtig ist die Gründerstil-Backstein-Fassade, so gut erhalten die Dächer, so filigran die Struktur der weissen Rundbogenfenster: ein Kulturdenkmal ganz besonderer Art.

Im Dezember 2007 wurde hier das Kohlosseum eröffnet. Es umfasst die Krautwerkstatt, das Kohlmuseum und einen Bauernmarkt mit eigenen und einheimischen Produkten.

Heute Museum, gestern noch grösste Krautfabrik der Region

Deutschlands "Kohlkammer", das dithmarscher Marschgebiet, liefert jährlich etwa 80 Millionen Kohlköpfe. Was lag also näher, hier in Wesselburen, wo einst die grösste Sauerkrautfabrik in der Region stand, ein Museum für das Gemüse "Kohl" einzurichten? Das noch urgetreu mit alten Holzbalken ausgestattete Kohlmuseum in der 2. Etage der alten Fabrik gibt einen würdigen Rahmen für alles, was mit dem Wirtschaftszweig Kohl zusammenhängt. Im Vordergrund stehen dabei der BIO-Anbau, Bodenbeschaffenheit, Gesundheit, Verzehr und die Umwelt. Für das Museum wurden bereits zahlreiche Ausstellungsstücke gesammelt, wie z.B. alte Kohlpflanzmaschinen, Ackergeräte, Kohlschneidemaschine, alte Holzsauerkrautfässer, Kohlschneidemesser, diverse Kohl-Verarbeitungsgeräte, Landmaschinen, historische Bilder und vieles andere. Die Bilderausstellung "Alte Bauernhöfe" der Dithmarscher Landfrauen ist schon heute ein Blickfang.

Die Verbindung dieser Strukturen: alte und neue Maschinen, Abläufe von der Pflanze bis zur Ernte, was verbirgt sich hinter biogerechtem Anbau, die gesundheitlichen Aspekte und die Geschichte des Kohls, werden den Besuchern erläutert.
Sonderausstellungen zeigen die wichtigsten Aufgaben des Deich- und Sielverbandes für die Küstenregion, Fotos während der grossen Flut 1972, Bilder über alte Bauernhöfe in Dithmarschen und eine Ausstellung der Jäger.

Kohl ist und macht kerngesund!

Sauerkraut ist sein Leben! Hubert Nickel -gelernter Maschinenschlosser und Lebensmitteltechniker- leitete viele Jahre eine Sauerkrautkonservenfabrik und forschte nebenher nach einer Methode, das Kraut ohne Vitaminverlust haltbar zu machen. Ende der neunziger Jahre gelang ihm der Durchbruch. Seitdem produziert er sein "Dithmarscher Frischekraut”, bei dessen Gärung in einem Glas ein Trick angewendet wird. Durch einen kleinen Einsatz wird die Ausdehnung des Weisskohls begrenzt. So bleibt im Glas ein Kopfraum, in dem im Verlauf der Gärung Kohlensäure entsteht. Und die konserviert das Kraut auf natürliche Weise. Seine Forschungen haben Hubert Nickels Ehrentitel wie "Sauerkrautpapst” oder "Krautmeister” eingebracht.
In der historischen Fertigungshalle mit vielen Museumsstücken wird die schonende Herstellung von vitaminreichem Bio-Sauerkraut für die Besucher zu einem einmaligen Erlebnis. Zwar gilt Sauerkraut als das Deutsche Nationalgericht, aber kaum jemand kennt die Herstellung. Und so gibt Nickels im Kohlosseum Unterricht und preist die heilsame Wirkung des Krauts, das den Stoffwechsel anregt, den Körper entschlackt und das Immunsystem stärkt.

Wir lernen, dass Sauerkraut milchsauer vergorener Weisskohl -ein von Vitalstoffen und Vitaminen strotzendes Vademekum- ist. Als James Cook deutsches Sauerkraut entdeckte, konnte er den Pazifik erforschen, ohne dass ihm die Seeleute an Skorbut starben.

Kohl gibt es in Dithmarschen genug. 80 Millionen Köpfe ernten sie dort jährlich. Nickel schwärmt vom Marschboden, auf dem das gesunde Gemüse besonders gut gedeiht, und vom Nordseewind, der Ungeziefer weghält.
Bei der industriellen Sauerkrautherstellung wird das Kraut nach der Gärung zweimal erhitzt; zunächst bei 80 Grad blanchiert, nach der Abkühlung dann bei 94 Grad pasteurisiert. " Das zerstört 60 Prozent der wertvollen Inhaltsstoffe, das Produkt verliert Frische und bekommt einen Kochgeruch", sagt Nickels. "Das hat mich immer furchtbar geärgert." Er wollte das Kraut frisch haltbar machen. Seine Idee, das Sauerkraut nicht in Silos, sondern abgefüllt im Glas gären zu lassen, wo es sich selbst konservieren soll. Dafür benötigte er einen Verschluss, der die Gärgase raus-, aber keine Luft hereinlässt - ein Ventil. Über Monate ertüftelte Nickels einen "Reaktor" mit einem Deckel, der an der Unterseite einen durchlässigen Gummischaum hat. Das Kraut kann ausatmen und ist doch luftdicht versiegelt.

Inzwischen füllt Nickels 50 000 Gläser pro Jahr. Der Kohl wird in einer Maschine in feine, einen Millimeter starke Streifen gesäbelt - geraten sie zu dick, bremst das die Gärung. Pro Kilo exakt 9 Gramm Salz -auf keinen Fall mehr, die Mikroorganismen sollen ja arbeiten, da darf man ihnen nicht zu viel Wasser entziehen. Und er nimmt nur reines "Luisenhaller", gewonnen aus einer Natursole aus 450 Metern Tiefe. In einer Edelstahltrommel werden Kohl und Salz vermischt, bis Zellsaft austritt. Die triefende Masse wird dann mit 420 kg Druck in bauchige Gläser gemischt, in denen oben noch Platz für einen Kopfraumbegrenzer bleibt. Der Plastikeinsatz ist auch eine Nickels Idee. Wichtig ist auch die natürliche Weise der Konservierung. Eine gute Woche gärt das Kraut. Dann wird es im Sechserpack verschickt und ist gekühlt ein halbes Jahr haltbar.

Sauerkraut selbst gemacht

Hubert Nickels zeigt den Besuchern, wie sie mit einem handelsüblichen Gärtopf ihr eigenes Sauerkraut herstellen können. Dazu mischt man in Streifen geschnittenen Weisskohl mit ca. 1 % Salz, gibt ihn nach ca. 4 Minuten in einen gut gereinigten Gärtopf und presst ihn mit der Faust ein. Ist der Topf ganz mit Kraut gefüllt, werden Beschwerungssteine eingesetzt, wobei der Weisskohl diese ein bis drei Zentimeter überdecken sollte. Danach wird der Deckel aufgesetzt und die Wasserrinne des Topfes mit Wasser gefüllt. Der Topfinhalt sollte dann bei einer Temperatur von 18 bis 20 Grad 12 bis 15 Tage lang vergären. Nach der Vergärungszeit sollte der Topf an einem kühlen Ort aufbewahrt und die Wasserrinne gelegentlich nachgefüllt werden. Wenn man den Topf nach der Entnahme wieder verschliesst und die Wasserrinne auffüllt, hat man stets frisches Kraut im Haus.

Bloss nicht die Vitamine stundenlang kochen und so in den Tod treiben.

Was aber geschieht, wenn man ein so gemachtes oder auch gekauftes Frischekraut über einen längeren Zeitraum erhitzt, wie es in der Sauerkrautküche üblich ist? Dann geschieht genau das, was man zuvor verhindert hat. Ein Grossteil der Vitamine geht verloren.

Für Gesundheitsfreaks empfiehlt der Krautmeister daher den Verzehr des rohen Krauts: "Man braucht es nur mit Ananas zu mischen und hat schon einen leckeren Salat. Diejenigen allerdings, die ihr Kraut warm und traditionell mit Nürnberger Würstchen oder andere Fleischgerichte geniessen wollen, dürften sich schwertun, rohes Sauerkraut als Beilage zu servieren. Ihnen empfiehlt Nickels wahlweise eine kurze Erhitzung des Krauts oder -wenn es richtig durchgegart sein soll- zwei Gabeln rohes Sauerkraut obenauf zu legen und dies als gesunde Gaumenfreude zuerst zu verspeisen.

Der Bauernmarkt

Der Bauernmarkt im Kohlosseum bietet überwiegend eigene und Produkte aus Dithmarschen an.
Kohlrouladen und Sauerkraut kennen alle, Kohlpudding zumindest jene, die sich Europas Kohl-Mekka Dithmarschen schon einmal kulinarisch genähert haben.
Es gibt auch Sauerkraut-Saft, Weisskohl-"Fruchtaufstrich", Kohlbrot und Gemüsemix auf koreanische "Kimchi"-Art. Dass Kohl aber auch gegen Hautprobleme helfen soll, wissen wohl nur jene, die auf die Erfindungen von Hubert Nickels schwören. Der "Krautmeister" erzählt, dass er auch eine Salbe gegen Schuppenflechte, Gürtelrose oder Neurodermitis im Angebot hat und ebenso ein Shampoo gegen Kopfjucken und Schuppenflechte.

Bio-Weisskohlsaft ist der entscheidende Bestandteil der Mittel, die der Lebensmitteltechniker nach Selbstversuchen mit Kohlblättern gegen eine Gürtelrose ersonnen hat. Aber auch wenn Nickels von der lindernden Wirkung überzeugt ist, verspricht er dennoch keine Wunder, zum Beispiel bei seinem Weisskohl-Shampoo: "Es fördert definitiv nicht den Haarwuchs".

Produkte aus der Wesselburener Krautwerkstatt

Ein grosser Traum ist übrigens auch für "Krautmeister" Nickels bislang unerfüllt geblieben. Denn natürlich hat der Erfinder diverser Kohlprodukte sich auch schon an Kohlwein und Kohlschnaps versucht - allerdings erfolglos. Sein ebenso kurzes wie ernüchterndes Fazit: "Schmeckt nicht".

Ein Besuch im Kohlosseum ist eine Attraktion und lohnt sich! Schauen Sie einmal dort vorbei!

Autor: Dietrich Severin

HBZ · 10/2011
 
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