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Niemals vergessen!

80 Jahre nach der Reichspogromnacht

In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten in Deutschland die Synagogen. "Jüdische" Geschäfte wurden verwüstet und geplündert.

Zehntausende Deutsche jüdischen Glaubens wurden in den folgenden Tagen verhaftet, in KZs verschleppt, misshandelt, getötet oder in den Selbstmord getrieben. Von den Nazis euphemistisch als "Reichskristallnacht" bezeichnet, waren die Novemberpogrome des Jahres 1938 der nächste Höhepunkt auf dem Weg zur massenhaften Vernichtung der deutschen und europäischen Bürger, die ihnen als "Juden" galten.

Nur ein Vorwand

Als Vorwand diente ein Attentat, das der 17-jährige Herschel Grynszpan am 7. November 1938 in Paris auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath verübte. Grynszpans Vater war kurz zuvor bei der "Polenaktion" im Oktober 1938 aus Deutschland vertrieben worden. Die Tat bot dem NS-Regime einen propagandistischen Anlass, die jüdischen Deutschen weiter aus dem wirtschaftlichen und kulturellen Leben zu verdrängen.

Tatsächlich hatte ein Pogrom gegen die jüdischen Deutschen seit Monaten in der Luft gelegen. Seit dem Frühjahr 1938 war deutlich erkennbar, dass eine weitere Radikalisierung der antijüdischen Politik und Maßnahmen bevorstand. Als vom Rath am 9. November seinen Verletzungen erlag, war es nur vorgeblich der "Volkszorn", der sich in den Pogromen Bahn brach. Tatsächlich beteiligten sich vor allem organisierte Nazis aus SA, HJ und SS sowie Parteiaktivisten an den Aktionen, die auch in den folgenden Tagen fortgesetzt wurden. Die allgemeine Bevölkerung sah eher zu, ob nun beschämt, angewidert oder befriedigt.

Folgen in Hamburg

In Hamburg waren es zumeist Einheiten der SA, die überall in der Stadt die Schaufenster jüdischer Geschäfte einschlugen, jüdisches Eigentum demolierten und die Synagogen zerstörten. Schwerpunkte ihres Zerstörungswerks lagen in der Innenstadt, etwa am Neuen Wall und am Jungfernstieg, wo die großen "jüdischen" Kauf- und Modehäuser beheimatet waren, sowie im Grindelviertel. Doch auch in anderen Stadtteilen wurde gewütet, zerstört und geplündert.

Die Hauptsynagoge am Bornplatz, die Neue Dammtor Synagoge, der Israelitische Tempel in der Oberstraße und andere Synagogen und Betsäle wurden angezündet, entweiht und geschändet. Auch in Harburg wurde die Synagoge in Brand gesteckt und die Leichenhalle des jüdischen Friedhofs niedergebrannt. Die Zerstörungen in der Hauptsynagoge dienten später als Anlass, die Jüdische Gemeinde zum Abriss des Gebäudes auf eigene Kosten zu nötigen. In den Tagen nach den Pogromen wurden außerdem etwa 1.500 jüdische Hamburger verhaftet. Ein großer Teil wurde zunächst im KZ Fuhlsbüttel inhaftiert und später in das KZ Sachsenhausen verbracht. Viele starben durch Misshandlung, Folter oder Selbstmord. Die Ereignisse bewirkten eine neue Fluchtwelle der jüdischen Hamburger. Für diejenigen, denen die Ausreise ins Ausland verwehrt blieb, begann eine Zeit der noch stärkeren Ausgrenzung und immer weiter fortgesetzten Entrechtung, die schließlich in der Deportation und im Massenmord endete.

Nach 80 Jahren noch immer aktuell

Die Novemberpogrome 1938 liegen nun 80 Jahre zurück. Einige meinen daher, dass es allmählich "gut sei" mit dem "Schuldkult" oder fordern gar eine "erinnerungspolitische Wende". Gemeint ist die Abschaffung der hart errungenen Erinnerungskultur an die Verbrechen des Nationalsozialismus. Wie notwendig diese aber immer noch ist, zeigte sich etwa im September 2018 bei einem rechtsextremen Aufmarsch in Dortmund. Dort skandierte das "Volk" wieder einmal offen antisemitische Parolen wie diese: "Wer Deutschland liebt, ist Antisemit."

Angemessen erinnern

Im Kontext der Leipziger Buchmesse 2004 hielt Salomon Korn, damals Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, eine Rede zum Thema Wie erinnern? Darin wies er auf ein Phänomen hin, das noch immer festzustellen ist: "Der nationalsozialistische Massenmord an den Juden - und hier insbesondere den deutschen Juden - wird heute von den meisten Deutschen so empfunden, als sei er nicht an Deutschen, sondern 'nur' an Fremden verübt worden." Er forderte stattdessen, "diese Menschen als Angehörige des eigenen Volkes, nämlich als Deutsche zu betrachten - nicht nur verbal als 'jüdische Deutsche' oder 'deutsche Staatsbürger jüdischen Glaubens', sondern - bei aller Differenz - schlicht als Deutsche, die auch Juden waren". Eine solche Sichtweise wäre sicher ein notwendiger Fortschritt in Sachen angemessener Erinnerung.

Einen anderen Aspekt brachte der Schriftsteller Daniel Kehlmann in eine Rede ein, die er im September 2018 hielt. Darin erinnerte er sich an eine Gedenkveranstaltung im KZ Mauthausen, bei der die Wiener Philharmoniker Beethovens 9. Symphonie spielten. Kehlmann, dessen jüdischer Großvater den NS und das KZ Mauthausen überlebte, endete seine unter anderem in der Zeit wiedergegebene Rede mit folgenden Worten, die das Erinnern mit der Gegenwart verbinden: "Nicht vergessen, was passiert ist, das heißt eben nicht nur, an Jahrestagen in Konzentrationslagern schöner Musik zu lauschen. Es heißt auch: Menschen helfen, die Hilfe brauchen, auch wenn sie eine andere Religion haben, eine andere Kultur, andere Sprache, andere Hautfarbe, und zwar im Angedenken an die Vertriebenen und die Toten unseres eigenen Landes vor noch nicht langer Zeit."

Autor: Arne Offermanns
Fotos: Samira Aikas

HBZ · 11/2018
 
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