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Aby Warburg

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Eine so bedeutende Persönlichkeit wie Aby Warburg es war, zu würdigen, muss sich bei dem hier zur Verfügung stehenden knappen Raum auf Hinweise beschränken:

Am 26.Oktober gedenkt die Warburg- Stiftung wie immer jährlich des Todestages Aby Warburgs (1866 -1929) mit einem Vortrag: Prof.Dr.Bernd Roeck, Zürich hat als vorläufigen Titel: Renaissance, Renaissancen und der Aufbruch des 'Westens' vorgesehen. WARBURGHAUS, Heilwigstrasse 116, 20249 Hamburg. Hörerplätze nach Einladung und auf Anfrage: Telefon (040) 42838 6148.

Der Renaissance und ihrer Kunst, der Wiedergeburt der Antike oder - eher in Warburgs Sinn: den Wiedergeburten verschiedener Ausformungen der Antike widmete Aby Warburg seine Studien. Dabei war es wohl weniger die Antike der "edlen Einfalt und stillen Grösse" wie sie uns von Winckelmann (18.Jh.) vorbildhaft überliefert wurde, als die sog. "aufgeregte" Antike der Zeit von Alexander d.Gr. bis Augustus (4.Jh. bis 30 vor Chr.), deren Kunst Kampf und Leiden in bewegten Gesten und auch durchaus unharmonische Gestalten für gestaltungswürdig hielt. (Denken Sie an die Laokoon- Gruppe mit ihrem Schlangenkampf oder an die 'Betrunkene alte Frau' des Myron. Auch das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe hat z.B. in der Gestalt eines winzigen Buckligen ein Exemplar dieser immer noch fremdartigen Antike.) Diese Bewegtheit der Gestaltung suchte Aby Warburg aus den Umtrieben ihrer Entstehungszeit, deren Einflüssen auf die Künstler und deren Widerstand dagegen, sowie aus den Absichten und Anschauungen ihrer Auftraggeber zu deuten.

Verhält sich der Mensch aller Zeiten und Völker ähnlich und kann so z.B. eine Brücke geschlagen werden von "wilden" Fruchtbarkeitsriten der Antike zu den Schlangentänzen der Pueblo-Indianer zur Beschwörung des Regens? Ende 1895 nutzte Aby Warburg einen Hochzeitsbesuch bei seinem Bruder Paul in Amerika für eine Abzweigung zu den "spanisch- indianischen Unterschichten" des westlichen Amerika, nachdem ihm "Pioniere der Eingeborenen-Forschung (…) die Augen für die weltumfassende Bedeutung des prähistorischen (…) und "wilden" Amerika öffneten. (…) Ausserdem hatte ich vor der ästhetisierenden Kunstgeschichte einen aufrichtigen Ekel bekommen. Die formale Betrachtung des Bildes - unbegriffen als biologisch notwendiges Produkt zwischen Religion und Kunstausübung - (…) schien mir ein steriles Wortgeschäft hervorzurufen (…)".

Dieses Zitat, sowie die vorangehende Leseausbeute stammt aus folgendem Buch, das ich allen, die an Deutung von Kunst interessiert sind, empfehlen möchte: Ernst H. Gombrich: Aby Warburg. Eine intellektuelle Biographie. Frankfurt, Main: Suhrkamp Taschenbuch 1. Aufl. 1984. ISBN 123456 - 89 88 87 86 85 84.

Ernst Gombrich (geb. 1909 in Wien) arbeitete seit 1936 kontinuierlich mit dem Warburg-Institut in England zusammen, wohin sich die engen Mitarbeiter des verstorbenen Warburg, Fritz Saxl und Gertrud Bing, mit der auf 60000 Bücher angewachsenen Bibliothek aus Warburgs Wirkungsstätte in der Heilwigstrasse geflüchtet hatten. Gombrich will in diesem ( höchst spannend zu lesenden) Buch "den Leser mit den Ideen und der Persönlichkeit eines Gelehrten bekannt machen, der auf die Entwicklung der Kunstgeschichte einen bedeutenden Einfluss ausgeübt hat - durch seine wenigen Veröffentlichungen, durch das Institut, das seinen Namen trägt, und durch seine Schüler, zu denen einige der hervorragendsten Gelehrten auf diesem Gebiet gehören. (In diesem Herbst wird Prof. Martin Warnke, derzeitiger Leiter des Instituts, langjähriger international anerkannter und beliebter Lehrer der Kunstgeschichte an der Universität Hamburg, mit einem Preis gewürdigt. Er hat u.a. auf dem Gebiet der Politischen Ikonographie geforscht (erstaunlich, wie Bau- und andere Kunstformen bis zur Briefmarke Auftragge- berwünsche wiedergeben und die Rezipienten aufgrund von deren psychischen Konstellationen beeinflussen!).

Gombrichs Buch gibt auch erstmalig einen Überblick über Warburgs viele unveröffentliche Schriften, Projekte und Entwürfe, die seine Gedanken und seine Bibliothek verständlich machen und enthält einen Aufsatz über die Geschichte der Bibliothek von Warburgs erstem Mitarbeiter Fritz Saxl († 1948).

Früh verzichtete Aby Warburg, Mitglied der berühmten Bankiersfamilie, auf Teilnahme und Erträge der Arbeit im Finanzunternehmen zugunsten eines Studiums der Kunstgeschichte. Dafür unterstützte die Familie ihn auf seine regelmässigen Bitten hin mit Geld für Bücher, unter denen sich schliesslich in dem Haus in der Heilwigstrasse sogar "die Balken gebogen" haben sollen. Bezeichnend für Warburgs weiten Horizont - mit der Sammlung von Schriften aller Art von (kunst-)historischen, (sozial-)psychologischen, naturwissenschaftlichen bis zu antiken astrologischen - eröffnet er dem Studierenden weite Perspektiven und hilft dem, der sich gemächlich auf die Buchreihen einlässt, seine Kreativität zu entwickeln.

Mehr über Aby Warburg und darüber hinaus über seine Familie erfahren Sie aus dem ebenfalls sehr spannenden Buch von Ron Chernow: Die Warburgs. Odyssee einer Familie. TB Berlin 1996. Mit Anhang 955 S. (Macht nichts! Gut zu lesen! ISBN 3 - 442 -72029-X.

In dem Zusammenhang der Forschungen Aby Warburgs sei auf die Neueröffnung der Antiken- und der Renaissance- Abteilung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe hingewiesen, die Sie vielleicht mit Genuss und Kritik besuchen mögen.

Autor: VHSt

HBZ · 10/2012
 
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