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In Hamburg sind die Nächte lang: Lange Nacht der Kirchen, lange Nacht des Handwerks, der Kaufhäuser, der Einbrecher. Lange Nacht der Museen - natürlich muss dieses alljährliche Event den Lichtkünstler und Schriftsteller Michael Batz aus Gründen der Be- und Er-leuchtung interessiert haben, bestrahlt er doch die Speicherstadt und flutet die Galerie der Gegenwart und andere Hamburger Architektur mit weissem und farbigem Licht.

Wem das gelegentlich neben der inflationären und stromkostenintensiven Darbietung von Schaufenster- und Werbungsreklame zuviel ist, schliesslich muss der Natur zuliebe auch mal "Ruhe im Karton" sein, ist angenehm berührt von dem ernsthaften Sinnieren über Licht in der Kunst, das Michael Batz neben weiteren kunsthallen- bezogenen Themen kürzlich in einem Buch hat verlauten lassen: Michael Batz / Thomas Sello: Was Bilder verschweigen. Mitternachtsgespräche über Kunst. Hamburg: Ellert & Richter Verlag GmbH 2012. ISBN 978-3-8319-0458-7. 12,95 €.

In diesem Leitfaden für Besucher der langen Museumsnacht - aber nicht nur dieser Veranstaltung - führen die Autoren - Thomas Sello war bis 2010 Museumspädagoge an der Hamburger Kunsthalle - in konzentrierten Gesprächen ihre Zugänge zu Kunstwerken vor. Es macht nichts, dass das gelegentlich wie ein Austausch von Schreibtisch zu Schreibtisch wirkt oder Batz Träumereien eines gewissermassen einsamen Spaziergängers abwechselt mit überraschendsten gedanklichen Kapriolen, die Brücken durch Inhalte und Motive zwischen Gemälden in benachbarten Räumen bauen. Ein lockerer Ton, hier und da unterhaltsam angereichert von persönlichen Anekdoten, Kalauern und Anpflaumereien stellt die Illusion eines nächtlichen gemeinsamen Spaziergangs wieder her. ( Thomas Sello, S. 81: "Ich stelle mir vor, lieber Michael, dass du deinen spontanen Enthusiasmus während der Planung unserer mitternächtlichen Sprachabenteuer längst verdrängt hast, wenn du in deinem Kämmerlein im hinteren St. Pauli sitzt, um über die Verschwiegenheit der Kunst zu brüten und überflüssigerweise diesmal auch über mich. Ich stelle mir vor, dass du dir unser Thema dabei so lange auf der Zunge zergehen lässt, bis alle schwierigen Geschmäcker ausgelutscht sind. In diesem Fall bleibt nur noch mein Name übrig, während Monet, Manet und van Gogh, zur Unkenntlichkeit zermatscht, aus deinem gefrässigen Dichtermaul hervorlugten wie das Gras der wiederkäuenden Kuh.") In der Tat! Man lese Batzens ironische Bemerkungen zu Sellos engagierter Führungsmethode, S.50, 51 f., 65, der er selbst in seinen Bildverknüpfungen aber gar nicht so fern ist

Eingerahmt durch ein einnehmendes Vorwort von Thomas Sello und ein originelles Schlusslicht von Michael Batz wurden sechs Kapitel mit Neugier weckenden Überschriften, darunter: Es begann mit einer Rippe; Was die Bilder verschweigen/Die übermalte Komödie; Die Quadratur des Schwarzen.

Die nicht chronologische Auswahl der Werke, die unter anderen Michael Batz "Herzklopfen und Seitenstechen" verursachen, reicht von Werken des Mittelalters, über George Grosz' Frauenmörder, den Impressionisten-Raum, über Klaus Krögers Kopf 14,2, 1999, Friedrichs Mann über dem Nebelmeer, natürlich Runges lichterfülltem Morgen bis zu Malewitschs Schwarzem Quadrat, sowie einer Kohlenwagen-Installation von Kounellis und Gerhard Merz' quadratischer schwarzer, von 400 Tageslicht-Leuchtstoffröhren umgebener Deckenmalerei, 1992 im Treppenhaus der Kunsthalle.

Damit nähern sich - abgesehen davon, dass Batz mit anerkennenswerter Unverfrorenheit zum Schluss noch einen Zufallsriss im Putz einer Museumswand und eine stehengelassene Handtasche in seine Interpretationen einbezieht - die Autoren gegen Buchschluss ausdrücklich dem Thema an, dem Batz' eigene Arbeiten gelten: Licht und Dunkelheit, ein ernstes Thema. Lux umbra dei (Licht ist der Schatten Gottes), siehe Zitat im Buch.

Der Beginn ihrer Diskussionen liegt dagegen gewissermassen im goldenen Licht des Meister Bertram-Altars, von wo sie sich anhand wechselnder, einzelner Motive, wie z.B. Evas Entstehung aus Adams Rippe, Goethes bei seiner Obduktion festgestellte Rippenverwachsungen bis zu Viktor Emil Janssens eingefallenem Oberkörper durch die Kunstgeschichte arbeiten. Gegenüber Batzens gedanklichen Kreuzrippenkathedralen (man lese einmal seine Sprünge vom schwarz-weissen Pferdehalfter in Renoir's Reiterin im Bois de Boulogne zur weissen Krawatte des Kavaliers in Manet's Nana und zur schwarzen Halsbinde des Henri de Rochefort (Manet) sorgt gewissermassen für "Fleisch an den Knochen" Thomas Sello mit soliden historischen und kunsthistorischen Informationen. Zusätzliche Kommentare stehen unter den Abbildungen, deren unterschiedlich qualitätvolle Leuchtkraft dafür sorgt, dass man auf die Originale gespannt ist.

Im Schlusslicht - Kapitel taucht Goethe - der mit den verwachsenen Rippen auf den Anfangsseiten des Buches und dem (historisch nicht gesicherten) Mehr Licht an seinem Lebensende, zitiert S.126, wieder auf und gibt dem Buch Abrundung und eine ironische Qualitätsgarantie: Der Autor Batz begibt sich von der Kunsthalle in die Innenstadt. Sein Begleiter Yan Si Wong, der in einer Fahrradfabrik arbeitet, weiss alles über Goethes Farbenlehre und beweist es auch. In der Spitalerstrasse referiert ein Pablo Lamura aus Kolumbien über Goethes Gattungsbegriffe. (…) Aycihan Kurt, Kurdin, Verkäuferin in einer Backwarenhandelskette, widerspricht am Mönckebrunnen leidenschaftlich der Auffassung von Yoshi Tanaka, Betriebswirt bei der Lufthansa, über die Abwesenheit sexueller Obsessionen in den "Wahlverwandtschaften" usw.

Die Ausländer sind, scheint es, Kunden des Goetheinstituts gewesen - und wir Hamburger? Könnten wir und nicht "mehr Licht" in der Kunsthalle (oder bei Batz und Sello) aneignen? Batz selbst guckt zum Schluss in melancholischer Heine- und Hölderlin-Stimmung in die Alster, in deren dunklem Wasser sein Schattenbild verschwindet. Ein sehr amüsantes und dazu lehrreiches Buch!

Autor: VHSt

HBZ · 01/2013
 
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