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Dokumente aus Stein

Markierungen erinnern an die frühere Grenze von Hamburg und Altona, Foto: (c) stahlpress Medienbüro
Markierungen erinnern an die frühere Grenze von Hamburg und Altona, Foto: (c) stahlpress Medienbüro

Hamburg und Altona waren einst selbstständige Städte, die eine wenige Fuß breite Grenzlinie trennte. Diese führte vom Altonaer Fischmarkt bis zum Eimsbütteler Marktplatz.

Doch auch an anderen Orten in der Hansestadt gab es Setzlinge, in den Boden eingelassene Steine oder Stelen, die die Hamburger Grenze markierten. Von ehedem 1.000 in Hamburg vorhandenen Grenzsteinen sind heute allerdings nur noch rund 240, laut anderen Quellen 270 nachweisbar.

Die steinernen Dokumente aus der Vergangenheit legen Zeugnis ab von der Vielfalt und vom Wandel territorialer Gliederungen in früheren Jahrhunderten. Sie geben beispielsweise Kunde aus der Zeit, als das Herrschaftsgebiet Dänemarks und später Preußens an Hamburger Gebiete anschloss. Zuletzt veränderte das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 die Grenzverläufe, als neben Altona, Wandsbek und weiteren Städten und Gemeinden auch Lokstedt an Hamburg angeschlossen wurde.

Granit ersetzte alte Holzpfähle


Entlang der Grenze zwischen Hamburg und Altona ließ der dänische König, zu dessen Herrschaftsbereich "Hamburgs kleine Schwester" damals gehörte, im Jahr 1607 durch die Angehörigen der Altonaer Grenzkommission Pfähle aus Holz setzen. Nachdem das Material morsch geworden war, wurden an den entsprechenden Stellen von 1856 bis 1900 Steine aus Granit gesetzt - und getreu dem Alphabet mit den Buchstaben A bis V versehen.

Schanzenstraße: Hamburger Wappen an der Hauswand, Foto: (c) stahlpress Medienbüro
Schanzenstraße: Hamburger Wappen an der Hauswand, Foto: (c) stahlpress Medienbüro

Am Altonaer Fischmarkt stand der erste, mit dem Buchstaben A gekennzeichnete Stein, am Pinnasberg folgte Stein B. Weitere Markierungen befanden sich an folgenden Stellen: Thadenstraße (F), Beim Grünen Jäger (G+H), Schanzenstraße (J), Schulterblatt (K+L), Eimsbütteler Chaussee (M). Der letzte Stein (V) lag in der Kieler Straße in der Nähe des Eimsbütteler Marktplatzes, wo Altona, Hamburg und Pinneberg aufeinanderstießen.

Stolpersteine im Straßenpflaster


Seit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahr 1871 wurden die Steine meist in das Straßenpflaster eingelassen, weil sie den damals rasant wachsenden Straßenverkehr nicht mehr behindern sollten. Doch die alten, noch aus dem Boden ragenden Grenzmarkierungen bereiteten noch 50 Jahre später Probleme. So ist einem Polizeiprotokoll von 1921 zu entnehmen, dass ein Stein von einem Pferdegespann aus seiner Verankerung gerissen worden war. Der verantwortliche Kutscher soll seinem Namen dabei alle "Ehre" gemacht haben: Der Mann hieß Blau.

Eine Nachbildung des Steins wurde 2006 am historischen Ort am Eimsbütteler Marktplatz aufgestellt. Darauf ist "HP/C7/1783/ No1" zu lesen. Die Initialen "HP" stehen für das Herrschaftsgebiet Pinneberg. Und mit "C7" ist nicht etwa Christiano Ronaldo gemeint, sondern der dänische König Christian VII., der von 1766 bis 1808 auch Herzog von Schleswig und Holstein war. Gesetzt wurde der Stein 1783 als Nummer 1 von insgesamt 25 Exemplaren, die die "Herrschaft Pinneberg" als Abgrenzung gegen die Besitztümer seiner Nachbarn legen ließ.

"Nobis bene, nemini male"


Wer mehr über die alte Grenze zwischen Hamburg und Altona erfahren möchte, dem sei ein Besuch des St. Pauli-Archivs in der Paul-Roosen-Straße 30 empfohlen. Dort zieht dessen Leiterin Gunhild Ohl-Hinz auf Nachfrage eine Mappe mit Presseartikeln, historischen Fotos, Buchkopien und alten Stadtplänen aus dem Regal. Ein Zeitungsschnipsel berichtet von der Rettung der alten Grenzsäule an der Reeperbahn 170. Das Kunstwerk aus Gusseisen ist der erhaltene Pfeiler des Nobistors, eines von sechs früheren Stadttoren. Seit 1848 steht die 1844 errichtete Säule am heutigen Ort. 2013 wurde sie vom Denkmalverein für 17.000 Euro restauriert. Seitdem erstrahlt der auf ihr eingravierte lateinische Spruch "Nobis bene, nemini male" (Uns Gutes, niemandem Schlechtes) in neuem Glanz.

Wer von der Reeperbahn aus auf die Säule schaut, erblickt nicht nur eine in den Bürgersteig eingefügte Platte, deren eingravierte Rille auf den alten Grenzverlauf zwischen Altona und Hamburg verweist. Er sieht auch einen schmalen Gang, an dessen Ende heute Damen im "Paradies Point of Sex" um Kundschaft buhlen. Früher führte dieser über die Simon-von-Utrecht-Straße bis zur Paul-Roosen-Straße, wo sich der ehemalige Gang zwischen den Häusern mit den Nummern 3 und 5 noch erahnen lässt. Auf dem Bürgersteig erinnert ein mit den Buchstaben A und H verzierter Stein an die alte Grenze.

Pickelhauben an der Fassade


Eine weitere Reminiszenz befindet sich vis-á-vis an einem auf der Altonaer Straßenseite gelegenen Haus, an dessen vor Kurzem sanierter Fassade ein preußischer Soldat mit einer Pickelhaube zu sehen ist: Nach dem Sieg der preußisch-österreichischen Allianz gegen Dänemark 1864 und dem "Bruderkrieg" von 1866 mit dem einstigen Bündnispartner Österreich war Altona im Jahr 1867 preußisch geworden. Daraufhin versahen die Stadtoberen den Grenzgang streckenweise mit einer Palisade, um Schmuggel zwischen Hamburg und Altona zu verhindern. Außerdem durfte er nicht bebaut werden, weil er als Kontrollgang diente. Doch immer wieder stolperten die Grenzwächter über Unrat, wie Beschwerden dokumentieren. Bisweilen verlief die Grenze sogar mitten durch die Häuser, was Skurrilitäten zur Folge hatte. So errichtete etwa ein Hundebesitzer, durch dessen Eigentum die Grenze verlief, die Hütte für sein Tier auf preußischem Gebiet. Der Grund: Hamburg erhob deutlich höhere Hundesteuern als das preußische Altona.

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Autor: Volker Stahl
Fotos: (c) stahlpress Medienbüro

HBZ · 09/2024
 
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