Titelfoto: © Titelbild: Black Form (c) KUNST@SH/Jan Petersen
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Kunst im öffentlichen Raum: Teil 2
Kunst als gesellschaftliche Erinnerung
Kriegsmahnmal von Ernst Barlach (1931) am Rathaus (c) stahlpress Medienbüro
Im zweiten Teil unserer Beschäftigung mit Kunst im öffentlichen Raum steht ihr Beitrag zur städtischen Erinnerungskultur im Zentrum. Auch in diesem Bereich ist Hamburg reich an Werken, denen die Menschen der Stadt auf ihren Alltagswegen begegnen und von denen sie sich zur Auseinandersetzung mit Geschichte anregen lassen können. Zwei Beispiele heiterer Kunst dienen der Auflockerung.
Künstlerische Erinnerung an Kriege
Nicht selten dient Kunst im öffentlichen Raum der gesellschaftlichen Erinnerung an die einschneidende Erfahrung eines Krieges. Hier kam es über die Jahrhunderte zu einem Wandel in der Darstellung: "Hatten nach 1815 und nach 1891 Siegerdenkmäler noch versucht, den Soldatentod zu verdrängen, so war das nach den mörderischen Schlachten des Ersten Weltkriegs in Belgien und Frankreich nicht mehr möglich", schrieb Volker Plagemann 1997 in
Kunst im öffentlichen Raum. Ein Führer durch die Stadt Hamburg. Implizit geht bereits aus dieser Aussage hervor, dass die Form der Erinnerung an Krieg seit jeher umstritten war. Insofern verwundert es nicht, dass sie auch bis heute immer wieder Gegenstand gesellschaftlicher Diskussionen ist.
Die Barlach-Stele
Ein Beispiel hierfür ist die 21 Meter hohe Barlach-Stele zwischen den Alsterarkaden und dem Rathausmarkt. Im Dezember 1929 schrieb der Hamburger Senat einen Wettbewerb für ein Ehrenmal zur Erinnerung an die Gefallenen im Ersten Weltkrieg aus. Oberbaudirektor Fritz Schumacher sorgte dafür, dass auch Ernst Barlach teilnehmen durfte, dessen Entwurf jedoch abgelehnt wurde. Den Zuschlag erhielt der Hamburger Architekt Klaus Hoffmann, den wiederum Schumacher dann zur Zusammenarbeit mit Barlach überredete.
Ensemble aus Kriegsklotz, Deserteurs- und Gegendenkmal am Dammtordamm, Foto: (c) stahlpress Medienbüro
Die Verbindung der Inschrift auf der einen Seite mit Barlachs Relief "Trauernde Mutter mit Kind" auf der anderen war schon bei der Enthüllung des Denkmals 1931 politisch umstritten, die deshalb ohne Publikum stattfand. 1938 ersetzten die Nationalsozialisten Barlachs Relief durch einen aufsteigenden Adler von Hans Martin Ruwoldt, der wiederum 1949 einer Rekonstruktion des Barlach-Reliefs wich. Das Mahnmal selbst wurde umgewidmet und erinnert nun an die Opfer beider Weltkriege.
Stein des Anstoßes am Dammtor
Zu einem besonderen Stein des Anstoßes wurde das 1936 als NS-Propagandawerk eingeweihte Denkmal für das Infanterieregiment Nr. 76 am Dammtor, auf dem 88 kantige Krieger im Rechteck marschieren. Es war immer wieder Treffpunkt für Alt- und Neonazis und von anderer Seite Ziel von Farbbeutel-Attacken und Graffiti. Am Rande einer Demonstration beim Evangelischen Kirchentag im Juni 1981 wurde die Inschrift "Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen" mit Hämmern traktiert. 1983 und 1986 entstanden auf öffentlichen Druck zwei von vier geplanten Teilen eines Gegendenkmals von Alfred Hrdlicka. Seit 2015 ergänzt ein Denkmal für Deserteure von Volker Lang das Ensemble.
Am Schöpfer des "Kriegsklotzes" zeigt sich, dass die "Zeitenwende" von 1933 in ästhetischer Hinsicht weniger drastisch ausfiel, als man vermuten würde: Richard Kuöhl begann seine Karriere vorher und setzte sie während der NS-Zeit fort. Er arbeitete mit dem Architekten Rudolf Klophaus zusammen, der wiederum mehrere Gebäude im Kontorhausviertel erbaute, das inzwischen UNESCO-Weltkulturerbe ist. Kuöhl verzierte auch das heutige Helmut-Schmidt-Haus, das von Klophaus für das NS-Parteiorgan Hamburger Tageblatt erbaut wurde und zu dessen Grundsteinlegung 1938 Joseph Goebbels eine Rede hielt. Kuöhls Relief des Signets der Zeitung, einer Hansekogge, prangt bis heute an einer Wand. Nach 1945 wurde lediglich das Hakenkreuz von einem Segel entfernt.
Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus
Ein wichtiges Thema der Kunst im öffentlichen Raum sind Mahnmale und Werke, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern erinnern. Eines dieser Werke ist die "Black Form" (1987-1989) des Künstlers Sol Le-Witt auf dem Platz der Republik vor dem Altonaer Rathaus, die auf dem Titelblatt dieser Ausgabe abgebildet ist. Der schwarze Quader dient dem Gedenken an die zerstörte jüdische Gemeinde Altonas.
Alles im Kasten von Kristine Thiemann (2018) in der Kandinskyallee in Mümmelmannsberg, Foto: (c) stahlpress Medienbür
Seit 2015 erinnert am Dammtorbahnhof eine Skulptur an die Deportation von jüdischen Kindern. Die Installation "Stigma" von Andrea Knobloch und Ute Vorkoeper bildet seit 2022 durch rotes Gummigranulat im Pflaster vor dem Stadthaus, früher Polizeihauptquartier und Gestapositz, eine Art Blutspur und Wunde im Stadtbild (siehe auch HBZ 5/2022). Weitere Werke werden Sie auf Ihren Wegen durch die Stadt auch an anderen Orten entdecken.
Vergangenheit neu denken?
Bewertungen der Vergangenheit ändern sich mit der Zeit. Wie dann mit den Relikten der Erinnerung an sie im Stadtbild umzugehen ist, wurde zuletzt am Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark heftig diskutiert. Das von Hugo Lederer und Emil Schaudt von 1901 bis 1906 errichtete, über 34 Meter hohe Monument wurde ab 2020 für knapp zehn Millionen Euro renoviert. Im selben Jahr erklärte Kultursenator Dr. Carsten Brosda: "Die Bismarck-Statue kann nicht einfach unkommentiert im Stadtbild stehen."
Das aber tut sie nach wie vor. Ein Wettbewerb zur Kontextualisierung unter dem Motto "Bismarck neu denken" scheiterte im vergangenen Jahr. Der "Prozess der kritischen Auseinandersetzung" soll laut Kulturbehörde nun in diesem Jahr beginnen. Wie genau dieser Prozess aussehen soll, ist allerdings noch immer offen. Die Infotafeln, die während der Sanierung am Bauzaun angebracht waren, wurden jedenfalls zusammen mit diesem abmontiert.
Kunst im öffentlichen Raum bleibt aktuell
Seit dem Jahr 2003 war der Etat für Kunst im öffentlichen Raum von zuvor 500.000 Euro halbiert worden, um aus diesen Mitteln die Instandsetzung der Gedenkstätte Neuengamme finanzieren zu können. Für 2024 steht nun wieder eine halbe Million Euro zur Verfügung. Die Vergabe dieses Etats erfolgt in einem durchaus aufwendigen Prozess: Zweimal im Jahr entscheidet eine 18-köpfige Kommission aus Künstlern, Architekten, Sachverständigen und Bezirksvertretern über die Mittelvergabe.
Auf Nachfrage, welche Vorhaben davon bestritten werden, verweist die Kulturbehörde auf ihre Website, die Titel und Namen von Künstlern auflistet. Worum es sich jeweils genau handelt, ist allerdings auch bei einer Nachsuche im Internet nicht immer zu erfahren. Zum Teil sind es Ausstellungen, Fotografieprojekte oder die pädagogische Begleitung eines bereits vorhandenen Werks.
Im Jahr 2014 war außerdem das Projekt Stadtkuratorin geschaffen worden, um Aktivitäten zur Kunst im öffentlichen Raum zu bündeln. Nach dem vorzeitigen Tod des zweiten Amtsinhabers Dirck Möllmann 2019 wurde das Projekt zunächst nicht wieder besetzt. Nun wird es, ausgestattet mit 250.000 Euro jährlich, auf fünf Jahre neu aufgesetzt. Trägerinstitution ist das Kunsthaus Hamburg, neue Stadtkuratorin wird ab Oktober 2024 Joanna Warsza. Kunst im öffentlichen Raum wird also auch weiter relevant bleiben, sei sie nun Gegenstand und Anlass gesellschaftlicher Erinnerung, Anstoß zur Diskussion oder heiterer Blickfang. Es lohnt sich immer, offenen Auges durch die Stadt zu gehen.
Bildergalerie
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Autor: Volker Stahl
Fotos: Fotos: (c) stahlpress Medienbüro
HBZ · 09/2024
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