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Romantische Entwürfe für eine bessere Welt

Zum Beispiel von Novalis (Friedrich von Hardenberg, 1772 - 1801)

Novalis, Stahlstich vom Friedrich Eduard Eichens (1845) um 1799
Novalis, Stahlstich vom Friedrich Eduard Eichens (1845) um 1799
Der Ruf nach "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", intoniert um 1780 in Amerika, zur Fanfare angeschwollen in der Französischen Revolution ab 1789 tönte über die Revolutionskriege, die Ära Napoleons (bis 1813) und die sog. Restauration nach den Befreiungskriegen bis weit hinaus ins 19. Jh. Heutzutage hat er wohl global ideale Geltung.

Er hatte in Europa keineswegs die beabsichtigten legitimen Folgen: Die barbarischen Exzesse im Verlauf der Französischen Revolution riefen Entsetzen, der autoritäre "Einigungsversuch" Europas unter französischer Vorherrschaft durch Napoleon rief Widerstand hervor, aber auch die nicht minder autoritären Erscheinungsformen der Restauration (Kleinstaaterei, Polizeiaufsicht, Pressebeschränkungen), merkbar sehr in Deutschland, enttäuschten bürgerliche und Intellektuelle Kreise. Auch letztere gerieten in Opposition zu einander: Die Schwelle zum industriellen Zeitalter überschritten viele Bürgerliche mit Anpassung und unbekümmerter Akzeptanz der Technikentwicklung schnell und mit Gewinnen; Künstler und Philosophen, meistens weniger begütert, und auch an einer Erneuerung des menschlichen Bewusstseins eher als an Besitz interessiert, kreierten kritisch den beschränkten und berechnenden "Philister", wie ihn später Wilhelm Busch so überzeugend schildert. Und vor allem entwarfen, oder belebten sie eine beispielhafte Gegenwelt. (Es wäre lohnend, sie dem heutigen, allseits zitierten "digitalen Zeitalter" entgegenzustellen)

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
sind Schlüssel aller Kreaturen,
Wenn die, so singen oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit werden gatten
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

Diese Verse stammen von Friedrich von Hardenberg, der sich "Novalis" nannte, übersetzt annähernd: "der Neuland Rodende und Bestellende". Er hatte sie in den zweiten Teil seines Romans Heinrich von Ofterdingen einfügen wollen. Dieser fragmentarische Roman wurde nach Novalis' Tod von den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel 1802 in Berlin herausgegeben und später nach Aufzeichnungen des Novalis von seinem Freund Ludwig Tieck um einige Teile ergänzt.

Einerseits nutzte Novalis hier die damals noch relativ selten angewandte Gattung des Romans. Sie wurde von den Romantikern (einige Namen s. u. Literaturhinweis) wegen einer gewissen formalen Offenheit als einzig angemessen angesehen für ihr Ziel, die Idee des unendlichen Fortschritts, den das Ich auf dem Wege zu einer höheren einheitsstiftenden Vereinigung von Natur und Geist durchlaufe (vergl. Philosophie von Fichte), vollkommen auszudrücken (Artikel in Kindlers Lexikon zu Heinrich von Ofterdingen)

Andererseits formulierte er in den zitierten Versen einiges für die Romantiker Programmatische: Die Lebenswelt ist nicht auf Abstraktionen zurückzuführen und kann auch nicht mit ihrer Hilfe ausreichend verstanden und konstruiert werden; Poesie, die mit Musik verbunden wurde (singen) und Liebe übertreffen als Erkenntnismittel das Vernunftdenken (das die Aufklärung des 18. Jahrhunderts so sehr hervorhob); wenn die (gefangene) moderne Welt sich in die Welt (die eigentliche) "zurückbegibt" und sich dann die Gegensätze zu echter Klarheit [...] gatten, d.h. sich gegenseitig als Individualitäten und Seinszustände (darunter fallen Leben und auch Tod!) respektieren und vereinen; wenn man Märchen und Gedichte (nach Novalis Ausdruck des wunderbaren und freien Traumgeschehens der menschlichen Seele, besonders der des Dichters!) als Quellen der Weltgeschichte(n) betrachtet, dann ist die früher einmal vorhandene, mit einem geheimen, das heißt zu suchenden Wort (?) benannte paradiesische Welt wieder da.

Hier, wie in anderen Werken der Romantik wird der Begriff vom Goldenen Zeitalter belebt, die seit der Antike die vom Menschen aus ewig drängendem Wissensdurst verlorene Zeit eines Einklangs von Natur, d.h. z. B. von Pflanzen, Tieren, Menschen, die geradezu in Symbiose friedlich mit einander lebten. Eine dem Goldenen Zeitalter noch nähere Zeit war für die Romantiker das Mittelalter mit seinem Länder einenden (?) Kaiser- und Königtum und seinem christlichen katholischen Glauben. Heinrich von Ofterdingen ist eine Art mittelalterlicher Minnesänger auf der Suche nach Liebe und Wahrheit. Er erkennt sie in der Blauen Blume, der Verschmelzung eines lieblichen Mädchens mit einer Pflanze. Die fremdartige Handlung kann, wie überhaupt die Schriften des Novalis in ihrer Komplexität auf diesem engbemessenen Raum nur ansatzweise erläutert werden. Seine ergreifenden Hymnen an die Nacht z. B., in denen er den Schmerz über den Tod seiner jungen Verlobten Sophie von Kühn (1797) zu bewältigen sucht, seien Ihrem Einfühlungsvermögen empfohlen.

Die Komplexität gilt für alle Romantiker. Empfehlend sei hier als Einführung genannt: Hans A. Neunzig: Lebensläufe der deutschen Romantik, Schriftsteller (August Wilhelm und Friedrich Schlegel, Ludwig Tieck, E.T.A. Hoffmann, Clemens Brentano, Joseph von Eichendorff, Adelbert von Chamisso). Kindler 1986.

Autor: G.B.
Fotos: (c) Wikimedia Commons: Scanned from 'Die großen Deutschen im Bilde' (1936) by Michael Schönitzer

HBZ · 04/2019
 
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