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Das Chilehaus


Ikone des Backsteinimpressionismus: Das Chilehaus wurde vor 100 Jahren fertiggestellt

Fritz Höger setzte mit dem Chilehaus ein architektonisches Fanal. Seine künstlerische Größe korrespondierte aber leider nicht mit seiner menschlichen: Der Baumeister biederte sich den Nationalsozialisten an, die seine Architektur jedoch verschmähten.

Heute ist die Elbphilharmonie das Postkartenmotiv der Hansestadt, vor hundert Jahren war es das Chilehaus. Mit seiner spitzen, bugartigen Ecke und der kurvig gestalteten Fassade erinnert das von 1922 bis 1924 errichtete Bauwerk nicht nur an ein Schiff - es avancierte nach anfänglicher Skepsis zu einer viel bestaunten Ikone hanseatischer Baukunst. Mit dem Chilehaus, schreibt der Kunsthistoriker Ralf Lange in seinem Buch Das Hamburger Kontorhaus, habe die Hamburger Architektur nach dem Ersten Weltkrieg ein "Fanal" gesetzt.

Markenzeichen: wetterbeständiger robuster Klinker

Das Chilehaus mit seinem wetterbeständigen robusten Klinker passte perfekt in die Handels- und Hafenstadt Hamburg. Bauherr war der Kaufmann Henry Brarens Sloman, der mit Salpeterimport reich geworden war. Slomans Finanzkraft ist auch zu verdanken, dass die weltberühmte Gebäudespitze durch den Erwerb kleiner arrondierter städtischer Flächen realisiert werden konnte. Neben der spektakulären Form verdanke der "Klinkerkoloss" seine Wirkung vor allem der subtilen Detaillierung der Fassaden mit seinen 0,72 Metern breiten Pfeilern zwischen den zahlreichen Fenstern, betont Lange: "Diese relativ kompakten Stützen werden durch Vorlagen aus jeweils zwei Ziegeln pro Mauerschicht überspielt, die um 45 Grad gegenüber dem Gebäude gedreht sind, sodass sie zu den Vorderseiten hin als spitze Grate in Erscheinung treten."

Beliebtes Postkartenmotiv: Hamburgs Kontorhausviertel
Beliebtes Postkartenmotiv: Hamburgs Kontorhausviertel

Das imposante Kontorhaus ist das Hauptwerk von Fritz Höger, der es in seiner expressionistischen Phase erschuf. Der Architekt stammte aus einfachen Verhältnissen. Geboren 1877 in Bekenreihe, einem Dorf bei Elmshorn, absolvierte er zunächst eine Zimmermannlehre. Doch der ehrgeizige junge Mann hatte einen Traum: Er wollte Baumeister werden! Deshalb zog er nach Hamburg, wo er die Baugewerkschule am Museum für Kunst und Gewerbe besuchte. Nach ersten Berufserfahrungen als angestellter Architekt machte er sich 1907 selbstständig. Die Aufträge ließen nicht lange auf sich warten: Der rastlose, von seiner Arbeit besessene Höger schuf bereits vor dem Ersten Weltkrieg im neuen Hamburger Stadtzentrum wegweisende Bauten, die den typisch hamburgischen Kontorhaus-Stil prägten. Zusammen mit Hamburgs Oberbaudirektor Fritz Schumacher machte Höger den norddeutschen Backsteinbau populär, der den in der Hansestadt bis dato üblichen Putzbau ablöste.

Der "steinerne Dampfer" ist heute Weltkulturerbe
Höger konzipierte sein berühmtestes Bauwerk als Kontorhaus mit 35.000 Quadratmetern Nutzfläche auf neun Stockwerken, davon vier Staffelgeschosse. Einige zeitgenössische Kritiker zeigten sich von dem Monumentalbau zunächst wenig begeistert. So wetterte der Kunsthistoriker und Unterstützer des Bauhauses Hans Hildebrandt 1924, Höger habe das Chilehaus "mit nicht mehr zu überbietender Selbstreklame der Öffentlichkeit zur Bewunderung" erschaffen. Davon ist heute keine Rede mehr - der "steinerne Dampfer" ist nicht nur ein bedeutendes Werk der Architekturgeschichte, sondern seit Juli 2015 sogar ein Teil des UNESCO-Weltkulturerbes.

Högers Bauten waren teilweise genial, sein Charakter war jedoch eher unangenehm. Mitarbeiter, Freunde und Familie litten unter seinen cholerischen Anfällen. Auch in der Öffentlichkeit agierte der "Klinkerfürst" laut und predigerhaft, ließ kulturelle Bildung vermissen. Zudem fehlte ihm "jegliche kritische Distanz zu sich selbst", heißt es in einer Biografie. Das behagte dem hanseatischen Bürgertum damals nicht - so blieb ihm die gesellschaftliche Anerkennung in seiner Wirkungsstadt versagt.

Umstrittener Erbauer

Im Prinzip ist das so geblieben, doch aus einem anderen Grund: Während das Chilehaus noch heute bewundert wird, ist nicht nur die sperrige Persönlichkeit seines Erschaffers in die Kritik geraten, sondern vor allem seine Anbiederung an den Nationalsozialismus und sein Hang zum Völkischen. Bereits lange vor der sogenannten Machtergreifung im Jahr 1933 durch die Nazis sympathisierte Höger mit deren Programm. In seinem Nachlass befinden sich zahlreiche Dokumente, die seine Verachtung demokratischer Strukturen und seinen Antisemitismus belegen. Aus Überzeugung versuchte Höger, sich dem NS-Regime anzudienen. Dass die Nationalsozialisten kein Interesse an seiner eigenwilligen Bauweise zeigten, verletzte ihn tief.

Nach dem Krieg gab Höger sich keineswegs geläutert, der Entnazifizierungsausschuss stellte ihm dennoch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus. Doch seine große Zeit war vorbei: Der Baumeister realisierte nach 1945 nur noch kleinere Projekte. Unter anderem entwarf er irritierenderweise ein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus. 1949 starb Fritz Höger kurz nach seinem 72. Geburtstag in Bad Segeberg an den Folgen eines Schlaganfalls.

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Autor: Volker Stahl
Fotos: (c) stahlpress + stahlpress/Archiv

HBZ · 03/2024
 
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