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Bilder, die im Kopf entstehen

Bei Anruf Kultur

Dörte Wiegand macht das Sprengelmuseum Hannover telefonisch erlebbar, Foto: (c) Herling/Herling/Werner
Dörte Wiegand macht das Sprengelmuseum Hannover telefonisch erlebbar, Foto: (c) Herling/Herling/Werner

Seit der Coronapandemie läuft das Angebot "Bei Anruf Kultur" mit wachsendem Erfolg. Es ermöglicht Menschen einen Museumsbesuch, die nicht sehen können oder nicht mobil sind.

Es kann vorkommen, dass Dagmar Krause morgens zu ihrem Mann sagt: "Heute Abend bin ich wieder in Hamburg." Dazu verlässt sie allerdings nicht ihre Wohnung in Braunschweig, sondern nimmt den Telefonhörer in die Hand, um an einer Führung von "Bei Anruf Kultur" teilzunehmen. "Ich nehme mir die Zeit und kann dabei unheimlich gut abschalten. Und kann mich auf eine ganz andere Welt einlassen", sagt die 69-Jährige. Dann ist sie eine von bis zu 20 Teilnehmenden, die sich von einem der Guides durch eine Ausstellung führen lassen. Egal, ob es um "Dix und die Gegenwart" in den Deichtorhallen oder das Altonaer Museum geht - Dagmar Krause hat ihrem Mann viel zu erzählen, wenn sie nach gut einer Stunde den Hörer aufgelegt hat.

Neuer Zugang zu Kunst


Seit ihrem zwölften Lebensjahr kann Dagmar Krause nichts mehr sehen. "Als blinder Mensch hatte ich lange Zeit kaum Zugang zur Kunst", sagt sie. Von Malern und Museen habe sie zwar gehört, doch sich etwas darunter vorstellen zu können, sei ihr erst in den vergangenen Jahren möglich geworden. Krause ist seit Beginn des Projekts dabei, das im Corona-Lockdown gemeinsam vom Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg und grauwert, Büro für Inklusion & demografiefeste Lösungen, mit Hamburger Museen sowie Kunstvermittlern entwickelt wurde. "Bei Anruf Kultur" funktionierte auf Anhieb. Das kostenlose Angebot wurde nach der Pandemie auf Museen und Kultureinrichtungen im gesamten Bundesgebiet ausgeweitet. Es richtet sich an Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht ins Museum gehen oder die Ausstellungen nicht visuell erfassen können.

Kann ebenfalls per Telefon besucht werden: das Altonaer Museum mit seinem Galionsfiguren-Saal, Foto: Altonaer Museum (c) SHMH
Kann ebenfalls per Telefon besucht werden: das Altonaer Museum mit seinem Galionsfiguren-Saal, Foto: Altonaer Museum (c) SHMH

Wenn Dagmar Krause beschreibt, wie sie die Führungen erlebt, wird sie lebhaft. Der Guide gehe von Raum zu Raum und beschreibe ganz wunderbar einzelne Bilder, von der Größe, aber auch der Farbe her. Und man könne Fragen stellen, wie das Bild wirkt, ob es eine romantische oder trübe Stimmung habe, ob es sehr harmonisch wirke. Darüber entstehen Bilder im Kopf. "Ich denke, ich habe es gesehen vor meinem geistigen Auge. Ob die Vorstellung der Wirklichkeit entspricht, weiß ich gar nicht. Aber das ist mir inzwischen auch gar nicht mehr so wichtig. Ich habe eine Vorstellung, und darüber kann ich mich unheimlich freuen", so Krause.

Barrierefreiheit als Aufgabe


Darüber hinaus lobt Krause den barrierefreien Auftritt der Hamburger Kunsthalle, aber auch anderer Kultureinrichtungen: "Es gibt inzwischen gute Ansätze, die Internetseiten für Blinde und Sehbehinderte besser zugänglich zu machen." Gefallen hat sie auch an Podcasts gefunden, in denen sich die Gespräche um Kultur drehen. Kann das altmodische Telefon da mithalten? "Absolut", sagt Krause, die vor ihrem Ruhestand im Braunschweiger Verein für Blinde und Sehbehinderte tätig war. "Die Führungen sind lebendiger. Ich erfahre etwas über das Leben des Künstlers und wie sein Werk entstanden ist. Man hat das Gefühl, man ist total dabei."

Die Braunschweigerin war auch schon mit sehenden Freunden in einer anderen Stadt, um dort im Museum eine spezielle Führung mitzumachen. "Aber man hat nicht immer Begleitpersonen, die diese Interessen teilen. Und manchmal ist das so weit, da müsste man übernachten." "Bei Anruf Kultur" räumt diese Barrieren für sie ab.

Dagmar Krause hat in Hamburg inzwischen vermutlich mehr erlebt als so manche Einheimische. Führungen im Museumsschiff Peking oder durch die Elbphilharmonie haben ihr bekannte Sehenswürdigkeiten nahegebracht. Mehrfach war sie im Deutschen Zusatzstoffe-Museum im Großmarkt, zuletzt, um sich vom erfahrenen Guide Christian Niemeyer über die Sehnsüchte nach Zucker und anderen Süßungsmitteln berichten zu lassen. "Man kann für seine eigene Ernährung ganz viel mitnehmen. Über Aromastoffe, Duftstoffe, erlaubte und schädliche Zusatzstoffe", so Dagmar Krause. Faszinierend sei das, aber durchaus auch relevant für den Alltag, wenn sie von ihren Reisen nach Hamburg zurück ist.

Info: Das Angebot steht im Internet unter www.beianrufkultur.de. Es ist auch telefonisch unter (040) 209 404 66 abrufbar. Die Führungen können mit einem Festnetzoder Mobiltelefon erlebt werden.


Bildergalerie
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Autor: Matthias Greulich
Fotos: Altonaer Museum (c) SHMH, Sinje Hasheider / Porträt Dörte Wiegand: (c) Herling/Herling/Werner

HBZ · 05/2024
 
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