Ausstellung im Barlach-Haus, bis 10. Juni 2019
Herzenssache - Wilhelm Busch malt
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Skizze eines Selbstbildnisses, 1885/90, Öl auf Papier/Pappe, Foto: (c) Ernst Barlach Haus |
'Künstlers Hoffnung' Armer Künstler hat es sauer, doch Erfolg kommt allgemach! Zeigt sich nur erst ein Beschauer folgen wohl die andern nach.
Bild: Ernst Barlach Haus © Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst, Hannover
Diese Verse sind mit einer ländlichen Szene illustriert: Nahe Teich und Kühen sitzt in Rückenansicht auf einem niedrigen Hocker ein untersetzter Mann mit hohem Hut, vor sich eine Tafel haltend, auf die er offenbar etwas zeichnen will. Hinter ihm ist ein Betrachter aufgetaucht: ein Esel. Eine ernüchternde Beurteilung, sowohl des Kunstschaffens wie seiner Interessenten, von Busch zu Lebzeiten nicht, sondern erst aus dem Nachlass veröffentlicht (Hernach, 1908). Die souveräne Strichführung der Zeichnung weist auf große Erfahrung hin. Die Gewandung des Zeichnenden erinnert sehr an
Kuno Klecksel (1884), die witzig- böse Bildgeschichte eines Maleradepten, dessen unstetes, im Grunde unernstes, Kunstwollen schließlich im "geborgenen" Umkreis zufriedener Philister und der Position eines dicken Gastwirts und Ehemanns endet. Ein selbstkritisches Warnbild?
Mit
Maler Klecksel schloss Busch 1884 seine Bildgeschichten ab, die ihm seit 1865/66 mit Max und Moritz immer größeren Erfolg gebracht hatten. Er wandte sich verstärkt der Malerei zu, die er nach einer kurzen Ausbildungszeit 1851 -1853 in Düsseldorf und Antwerpen und dann später in München mit Ausnahme einiger Porträtarbeiten im Verborgenen betrieb.
Wenige Monate nach Buschs Tod 1908 überraschte die Bewunderer seiner Bilderbogen und -geschichten eine Ausstellung seiner Malerei in München. Sie wurde gerühmt von Kritikern und Fachleuten wie Paul Klee, der Parallelen zur Moderne hervorhob.
Aus der liebevollen Biografie, die Buschs Neffen Hermann, Adolf und Otto Nöldeke 1909 veröffentlichten, geht hervor, dass Busch seit seinem Rückzug aus Städten wie München und Frankfurt ins heimatliche ländliche Wiedensahl und Mechtshausen mehr als 1.000 Bilder gemalt hat. Darüber hinaus soll er zeitweise ganze Stapel vernichtet haben.
Seine Einschätzung dieser malerischen Arbeit spiegelt die Wahl seiner Malgründe und Farben wider: kaum geglättete Pappe, unebene Tischlerbretter, kleinste Formate (spätere gedruckte Reproduktionen sind oft größer), mehrere Bildentwürfe auf einer Fläche, billige Farbmischungen, die dazu geführt haben, dass einige Gemälde mit der Zeit dunkler wurden, als sie gedacht waren.
Besuchenden Fans zeigte er nichts oder empfing sie gar nicht erst. Darüber, warum er sich so verhielt, soll am Schluss spekuliert werden.
Zur Ausstellung im Barlach-Haus
Gut und übersichtlich gegliedert zeigt die Ausstellung in drei Räumen etwa 70 Leihgaben aus dem Museum Wilhelm Busch in Hannover und einige Werke aus Privatbesitz. Porträts, Interieur- und Genrebilder, Stillleben, Studien, z. B. von Händen, Landschaften mit und ohne Menschen, Wiedergabe extremer Mimik und Gestik, Kneipenszenen mit Personenballungen in Prügelszenen zeugen von genauer Beobachtung eigener Eindrücke, Auseinandersetzung mit niederländischen Vorbildern oder von formalen Experimenten.
Ein Hauptmerkmal, das großzügige Skizzieren mit weichem Pinselstrich, veranschaulicht zu Beginn der Ausstellung ein Selbstporträt von 1885/90 auf einer 16,8 x 10,9 cm großen Pappfläche.
Es wirkt nicht klein, da Hut und rechter Ellbogen jeweils den oberen und unteren Bildrand berühren und Gesicht und Körper, der Fantasie über Ausmaße Spielraum gebend, vom linken Bildrand bis auf ein Drittel überschnitten sind. Den unteren Mittelteil füllt eine große Hand, die noch nicht Definiertes hält, beides betont beleuchtet wie der obere Teil des bärtigen Gesichts. Augen und linker Gesichtsteil sind großzügig verschattet. Angedeutet ist im oberen Teil Waldähnliches unter graublauem Himmel. Es ist viel zu beobachten auf dem Bild - ein provozierendes Gegenstück zu den großformatig angelegten Porträts älterer Jahrhunderte.
Im zweiten Raum möchte ich die Skizze eines stehenden hellgekleideten Jungen hervorheben. Seine orangefarbenen Konturen fließen aus den hilflosen Fingern seiner am Körper herabhängenden Hände nach unten, wo Zerrinnendes liegt. Die Konturierung erinnert an den von Busch bewunderten Rubens, das Zerfließen an Munch. Ein Kontrast dagegen die Porträts von Buschs befreundetem Frankfurter Ehepaar Kessler, 1868/ 1869. Auf wesentlich größeren Formaten ist das Ehepaar einander zugewandt, die Frau mit außerordentlich feinen Gesichtszügen - eines Dürers würdig!
Im großen Hauptraum die vielen Bemühungen Buschs um Genauigkeit, Wiedergabe eines Eindrucks von Wirklichkeit, sei es die Dramatik einer Landschaft, der farbige Lichtpunkt eines Menschen darin, die Beschaffenheit eines Hackklotzes, der klaffende Mund eines Biertrinkers.
Warum schätzte er seine Malerei und das Urteilsvermögen ihrer Betrachter so gering? Seit 1867 mag er von Schopenhauer, speziell dessen Kunsttheorie, beeinflusst gewesen sein. Dazu in Kurzfassung: Kunst dient der "interesselosen" objektiven Erkenntnis der Welt, indem sie uns dem Sklavendienste des zielgerichteten Willens entreißt und in der Hingabe an das Geschaute das Leiden vergessen lässt. Diesem hohen Anspruch glaubte wohl Busch nicht genügen zu können, schon gar nicht traute er es seinen Beurteilern zu.
Die Besucher der Ausstellung erhalten mit einigen Blättern eine recht gute Information zum Busch.
Autor: G.B.
Fotos: (c) Ernst Barlach Haus
HBZ · 06/2019
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