
Ihr Recht in der Praxis
Bewertung bei Beurteilungen
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| Einar von Harten, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Foto: (c) Kanzlei von Harten - Rechtsanwälte |
Sehr geehrte Mitglieder und Interessierte, ich berichte Ihnen heute von einer interessanten Entscheidung zum Thema "Beurteilung", die das Bundesverwaltungsgericht jüngst getroffen hat.
Es geht um die Gewichtung von Einzelbewertungen (Beschluss des 2. Senats vom 16. Juli 2025, Aktenzeichen 2 B 31.24). Die "Beurteilungsentscheidungen" des Bundesverwaltungsgerichts sind für die Praxis von besonderer Bedeutung, weil die gesetzlichen Vorschriften für Beurteilungen sehr allgemein bleiben..
Einzelbewertung und Gesamtbewertung
Im betrachteten Fall wehrte sich ein Zollbeamter gegen eine Regelbeurteilung. Da es sich um eine standardisierte Beurteilung handelte, ging es mittelbar auch darum, ob die gesamte Beurteilungspraxis der Zollverwaltung rechtswidrig sein könnte.
Gegenstand war insbesondere, dass in dieser Beurteilungspraxis bei Zollbeamten zwei Kompetenzgruppen zu berücksichtigen sind, deren eine (Fach- und Methodenkompetenzen) aus sieben Einzelbewertungen und deren andere (soziale Kompetenzen) aus fünf Einzelbewertungen bestand. Die Argumentation des Klägers hinsichtlich der Gesamtbewertung zielte darauf ab, dass mit der Gleichstellung der Einzelmerkmale ein Ungleichgewicht der Kompetenzgruppen folgen würde. Dies verstoße aber gegen die Beurteilungsrichtlinie, nach der es nicht zulässig sei, lediglich das arithmetische Mittel der Einzelwertungen zu verwenden. Tatsächlich heißt es in der Beurteilungsrichtlinie: "Die in Punkten ausgedrückte Note ist nicht arithmetisches Mittel der in den Beurteilungskategorien nach Ziff. 9.1. vorgenommenen Einzelwertungen."
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. Es stellte sowohl klar, dass kein generelles "Arithmetisierungsverbot" existiert, als auch, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine einfache "Zusammenrechnung" der Einzelmerkmale nicht ausreichend wäre.
Zunächst hat das Bundesverwaltungsgericht, ohne hierauf gesondert einzugehen, die Auffassung der vorigen Instanz geteilt. Diese hatte ausgeführt, dass es sich bei der zitierten Regelung zwar um ein Arithmetisierungsverbot handeln könnte. Doch schließe dies nicht aus, dass die Einzelbewertungen für das Gesamturteil zusammengerechnet und dabei gleich gewichtet werden. Vereinfacht gesagt: Es ist etwas anderes, ob der Dienstherr die Noten einfach nur zusammenrechnet, teilt und sich daraus die Note ergibt, oder ob der Dienstherr sich erst dazu entscheidet, die Einzelbewertungen gleich zu gewichten, und dann eine Zusammenrechnung vornimmt. Der Dienstherr kann sich daher grundsätzlich für eine gleiche Gewichtung der Einzelbewertungen entscheiden
Von diesem Grundsatz hat das Bundesverwaltungsgericht nun eine Ausnahme formuliert: Die vorgegebene Gewichtung darf nicht zu einer Abweichung von der Bewertung nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung führen. Entscheidet sich zum Beispiel der Dienstherr dazu, eine sehr hohe Anzahl an Einzelbewertungen vorzunehmen, dann geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass eine unterschiedliche Bewertung der Einzelmerkmale erfolgen muss, weil es nicht vorstellbar ist, dass derart viele Einzelbewertungen jeweils gleich ins Gewicht fallen müssen.
Konsequenzen für Beschäftigte in Hamburg
Auch in der geltenden Beurteilungsrichtlinie der Freien und Hansestadt Hamburg (BeurtRL-FHH) findet sich eine Regelung zu einem vermeintlichen Arithmetisierungsverbot. Es muss wohl auch auf diese Richtlinie die Rechtsauffassung angewandt werden, dass ein Arithmetisierungsverbot keine gleiche Gewichtung der Einzelbewertungen ausschließt. Interessant ist aber die Frage, ob die vom Bundesverwaltungsgericht erläuterte Auffassung greift: Denn wenn Sie in Ihre letzte Beurteilung blicken, werden Sie feststellen, dass dort 17 Einzelbewertungen (ohne Führungsanforderungen) aufgelistet sind. Hier könnte deshalb durchaus angenommen werden, dass eine "pauschal festgelegte" gleiche Bewertung aller Einzelmerkmale rechtswidrig sein könnte.
Allerdings hat die Freie und Hansestadt Hamburg hier möglicherweise schon dadurch entgegengewirkt, dass eine abweichende Gewichtung in der Richtlinie erläutert worden ist: "Vielmehr sind die Gesamtbewertungen Ergebnis eines eigenständigen Bewertungsvorgangs unter Gewichtung des Leistungsbildes und der jeweiligen Anforderungen sowie deren Gewichtung zueinander. Die für den Arbeitsplatz als besonders wichtig gekennzeichneten Kriterien sind hierbei besonders zu berücksichtigen. […] Die Gesamtbewertungen sind unabhängig von ihrer Ausprägung plausibel zu begründen."
Es sollte angesichts dieser Gewichtungsvorgaben davon ausgegangen werden, dass die Beurteilungsrichtlinie der Freien und Hansestadt Hamburg auch nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts diesbezüglich rechtsfehlerfrei sein dürfte. Gleichzeitig sollten Sie darauf achten, dass die Gewichtung in Ihrer Beurteilung auch richtliniengemäß vorgenommen wird. Falls für Sie andere Richtlinien gelten, könnte eine Prüfung angezeigt sein.
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Autor: Einar von Harten
Fotos: (c) Kanzlei von Harten - Rechtsanwälte
HBZ · 10/2025
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