VHSt - Hamburgischer Verein für den öffentlichen Dienst
Hamburgischer Verein für den öffentlichen Dienst
 
Aktuelle Ausgabe
Titelfoto: © Titelbild: Innenraum Stilbruch (c) Stadtreinigung Hamburg

Das Mitgliedermagazin

Hamburgische Zeitschrift für den öffentlichen Dienst

 

Mitglied werden

Profitieren Sie von der Mitgliedschaft im VHSt. Einfach ausdrucken und ausgefüllt an uns senden.

 

BESONDERE VERANSTALTUNGEN


 

Top-Themen

Universität Hamburg

100 Jahre Bildung im Herzen der Stadt

Südeingang des Hauptgebäudes der Universität Hamburg
Südeingang des Hauptgebäudes der Universität Hamburg

Im Jahr 2019 feiert die Universität Hamburg runden Geburtstag: Am 10. Mai 1919 eröffnet, dient sie schon 100 Jahre 'Der Forschung, der Lehre, der Bildung' - so ihr über dem Eingang des Hauptgebäudes in Stein gemeißelter Leit- und Anspruch.

Zwar zählt sie damit nicht zu den "altehrwürdigen" Universitäten, dafür aber war sie die erste demokratisch gegründete Universität Deutschlands. Heute ist sie mit über 43.000 Studierenden die fünftgrößte Hochschule des Landes.

Auch wissenschaftlich hat sie Gewicht: Im Herbst 2018 wurden alle vier "Exzellenzcluster", mit denen sie sich beworben hatte, zur Förderung ausgewählt. Das bringt Renommee und einen reichen Geldsegen für Spitzenforschung. Im Juli 2019 könnte der Titel "Exzellenzuniversität" hinzukommen, der wiederum hohes Ansehen und erhebliche Fördermittel brächte. Ein schöneres Geschenk zum Hundertsten wäre kaum denkbar. Doch bis dahin war es ein langer Weg.

Die Anfänge

Auf den ersten Blick ist kaum zu verstehen, dass Hamburg erst 1919 eine Universität erhielt. Denn Formen wissenschaftlicher Ausbildung gab es hier schon viel früher: Bereits 1529 gründete Johannes Bugenhagen die Gelehrtenschule des Johanneums, zu der sich 1613 das Akademische Gymnasium gesellte. Dort hielt man Vorlesungen in den Artes liberales, die auf das Studium an einer Universität vorbereiteten. Das Akademische Gymnasium hatte zeitweise einen sehr guten Ruf, etwa unter Joachim Jungius, Rektor von 1628 bis 1657.

Im Jahr 1764 kam das Allgemeine Vorlesungswesen hinzu, ein weiterer Schritt in Richtung universitäre Bildung. Es erlangte 1837 staatliche Anerkennung, während das Akademische Gymnasium an Bedeutung verlor und 1883 aufgelöst wurde. Im 19. Jahrhundert wurden zudem diverse "Wissenschaftliche Anstalten" gegründet, darunter der Botanische Garten und die Sternwarte. In Breite und Umfang konnte das Angebot an Forschung und Lehre in der Stadt mit vielen Universitäten mithalten. Doch die einflussreiche Kaufmannschaft lehnte die Gründung einer solchen Institution ab: Man scheute unkalkulierbare Kosten, bezweifelte den Nutzen - und befürchtete wohl auch, dass eine neue wissenschaftliche Elite das soziale Gefüge der Stadt verändern könnte.

Werner von Melle

Es war Werner von Melle, der die Bestrebungen in Richtung Universität vorantrieb. Seit 1891 als Senatssyndikus und seit 1900 als Senator für das Allgemeine Vorlesungswesen und die Wissenschaftlichen Anstalten zuständig, war es für ihn eine Lebensaufgabe, der Stadt eine Universität zu geben. Wer mehr über ihn wissen will, dem sei Stadt - Mann - Universität Hamburg, Werner von Melle und ein Jahrhundert- Lebenswerk von Myriam Richter ans Herz gelegt - auch stadtgeschichtlich eine lohnenswerte Lektüre.

Der im Jubiläumsjahr erscheinende zweite Teil wird sich insbesondere auf von Melles Rolle bei der Universitätsgründung fokussieren. Er erweiterte den Kreis der "Universitätsfreunde", baute das Allgemeine Vorlesungswesen aus, lud bekannte Gastdozenten ein und machte es immer mehr zum Vorläufer einer echten Universität. 1906 setzte er eine erste ordentliche Professur durch, die 1907 mit Karl Rathgen besetzt wurde, später erster Rektor der Universität. Im gleichen Jahr wurde die "Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung" gegründet und beteiligte sich an einer Stiftungsprofessur für Geschichte.

Das Foyer der Eingangshalle des Hauptgebäudes
Das Foyer der Eingangshalle des Hauptgebäudes

Das Kolonialinstitut

Ebenfalls 1907 stiftete Edmund Siemers die Mittel für das heutige Hauptgebäude der Uni. Dort zog nach der Einweihung 1911 das vom Reich geförderte Kolonialinstitut ein - ein fast genialer Schachzug von Melles. Denn es fand die Zustimmung der Hamburger Kaufmannschaft, deren ökonomische Interessen es bediente. Zugleich ermöglichte dies, neue Professuren durchzusetzen, etwa für Geografie und Öffentliches Recht sowie für Sprachen oder Geschichte Afrikas und Asiens - später lange Zeit ein besonderes Merkmal der Universität Hamburg.

Doch die Skepsis gegenüber einer Universität überwog weiterhin. Zwar gewann von Melle eine Mehrheit des Senats für deren Gründung. Nach einer hitzigen Diskussion in der Stadt lehnte die Bürgerschaft sie im Oktober 1913 jedoch knapp ab. Dann kam der Erste Weltkrieg - und die Republik.

Die Gründung

Am 28. März 1919 verabschiedete die kurz zuvor neu gewählte Bürgerschaft das Gesetz zur Universitätsgründung. Die "Hamburgische Universität" war geboren - als demokratische Reformuniversität. Der Sozialdemokrat Emil Krause etwa forderte, dass sie "allen Gliedern des Volkes" ermöglichen sollte, "diejenigen Geistesfähigkeiten zu erwerben, die sie für wünschenswert halten". Dazu wurden neben der Universität eine Volkshochschule und "volkstümliche Vorlesungskurse" eingerichtet. In der entscheidenden Sitzung formulierte Krause nicht ohne Pathos: "Frei soll die Lehre sein und frei das Lernen, würdig dem freien Staat Hamburg."

Für seine Verdienste verlieh die Universität Werner von Melle 1921 den Titel eines "Rector magnificus honoris causa". Das von ihm mit aus der Taufe gehobene Kind erlebte seither eine Entwicklung mit mehreren Umbrüchen, die sich unter anderem in den drei Namen manifestieren, die die Hochschule seit 1919 trug.

Die Weimarer Zeit

Der Name "Hamburgische Universität" kennzeichnete nicht nur ihren Ort, sondern verwies auch auf ihre besondere Prägung. Die Hochschule erwarb sich schnell Ansehen über die Stadt- und sogar Staatsgrenzen hinaus. Bis 1933 lehrten hier herausragende liberale Gelehrte wie der Philosoph Ernst Cassirer, der Kunsthistoriker Erwin Panofsky oder der Physiko-Chemiker Otto Stern, der 1943 den Nobelpreis erhielt. Der Anteil an jüdischen Gelehrten und SPD-Mitgliedern war höher als im Reichsdurchschnitt, ebenso derjenige an weiblichen Studierenden und Studierenden aus der Arbeiterschicht.

Doch reaktionäre Einstellungen und Antisemitismus waren auch an der Hamburgischen Universität nicht unbekannt - das Verhältnis zwischen Anhängern und Gegnern der Demokratie war von Beginn an spannungsreich. In der zweiten Hälfte der Weimarer Republik erlangten deren Feinde an der Hochschule die Oberhand: Seit 1931 war der AStA in der Hand des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds, und schon zum Wintersemester 1932/33 setzte Rektor Albert Wigand, Metereologe und Hitler-Sympathisant, Vorlesungen über Wehrwissenschaft auf den Lehrplan.

"Der Forschung, der Lehre, der Bildung - die Inschrift über dem Eingang des Hauptgebäudes der Universität Hamburg ist nach 100 Jahren noch aktuell. Denn Universitäten richten sich nicht nach den 'Anforderungen' der Jahrzehnte - ihre gesellschaftliche Rolle der Aufklärung und des Diskurses ist zeitlos: die Bildung mündiger und kritischer Menschen, die freie Forschung und die Bekenntnisse zu deren Ergebnissen. Und auch wenn wir durch die Jahrzehnte scheinbar immer mehr Wissen ansammeln, haben wir es im 21. Jahrhundert weltweit mit großen politischen und gesellschaftlichen Problemen wie dem Klimawandel oder internationalen Konflikten zu tun - für deren Lösung die wissenschaftliche Aufklärung, persönliche Initiative und evidenzbasierte Information umso wichtiger sind."

Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Lenzen · Präsident der Universität Hamburg


Agathe-Lasch-Hörsaal
Agathe-Lasch-Hörsaal

Die "Hansische Universität"

Der ideologisch aufgeladene Titel "Hansische Universität", den sie seit Oktober 1935 unter dem nationalsozialistischen Rektor Adolf Rein trug, steht für den radikalen Wandel nach 1933. Von einer Stätte freier Wissenschaft wurde die Universität zum Instrument der NS-Ideologie. Innerhalb kürzester Zeit wurden "nichtarische" und politisch "unerwünschte" Lehrende entlassen. Im Mai 1933 bekannte sich die Universität feierlich zu Adolf Hitler. Im Januar 1934 etablierte sie das "Führerprinzip" und wurde die "erste nationalsozialistische Hochschule in Deutschland", wie Rein stolz verkündete. Forschung und Lehre wurden den Vorstellungen der Nazis angepasst. Beispielhaft dafür: Ernst Cassirers ehemaliger Lehrstuhl für Philosophie wurde ein Ordinariat für Rassenbiologie.

Verschiedenen Gelehrten gelang die Flucht ins Ausland, wo sie ihre Arbeit teilweise erfolgreich fortsetzten. Martha Muchow und einige andere, die bleiben mussten, begingen Selbstmord. Agathe Lasch, seit 1923 erste Professorin an der Hamburgischen Universität, wurde 1942 deportiert und ermordet. Wer sich für den Hochschulalltag im Dritten Reich in Hamburg interessiert, sollte das gleichnamige Werk zur Hand nehmen, das Eckart Krause, Ludwig Huber und Holger Fischer 1991 herausgaben. Es setzte bis heute geltende Maßstäbe kritischer Aufarbeitung.

Neuanfang und Wandel

Die schlichte Benennung "Universität Hamburg" sollte nach 1945 für einen Neuanfang stehen. Die personellen Kontinuitäten waren jedoch groß. Die problematische eigene Geschichte wurde verdrängt und verschwiegen. Auch einer der bekanntesten Slogans der Studentenbewegung, Ende 1967 anlässlich einer Rektoratsfeier in Hamburg geprägt, spielte darauf an: "Unter den Talaren - Muff von 1.000 Jahren".

Ohne erneuten Namenswechsel vollzog sich 1969 ein weiterer radikaler Umbruch: Mit der Verabschiedung des Hamburger Universitätsgesetzes, das erste Hochschulreformgesetz der BRD, wurde die "Ordinarienuniversität" zur "Gruppenuniversität". Nun waren alle Statusgruppen an der akademischen Selbstverwaltung beteiligt und zeitweise sogar in der Lage, die Professorenschaft zu überstimmen. 1969 wurde mit Dr. Peter Fischer-Appelt sogar ein "Nicht- Professor" Präsident der Universität und blieb dies bis 1991.

Die Zahl der Studierenden war schon seit 1950 enorm angestiegen und die Universität auch baulich gewachsen - Auditorium Maximum und Philosophenturm sind denkmalgeschützte Zeugen des Ausbaus der 1960er-Jahre. Doch die Universität wuchs weiter und Raumnot ist bis heute ein Thema. Überlegungen, sie deswegen aus dem Herzen der Stadt zu reißen und in den Hafen zu verfrachten, wurden zum Glück ad acta gelegt. Auch die chronische Unterfinanzierung, die der Universität seit Anfang der 1980er-Jahre bei weiter steigenden Studierendenzahlen massive Probleme bereitet, scheint allmählich überwunden zu werden - allerdings auch um den Preis des Abbaus vieler Fächer.

Wandel, Umbrüche und Auseinandersetzungen begleiten die Uni noch immer. Ob es nun um die Novelle des Hamburgischen Hochschulgesetzes ging, die Mitbestimmungsrechte der Statusgruppen beschnitt; die umstrittene Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge oder das als undemokratisch kritisierte Gebaren der ehemaligen Präsidentin Monika Auweter-Kurtz - in den letzten Jahrzehnten war der Streit nie weit. Auch nach 100 Jahren ist immer noch Leben in der Bude, in unserer guten alten Alma Mater im Herzen der Stadt. Herzlichen Glückwunsch, altes Haus, und alles Gute für die nächsten 100 Jahre!

Die Feierlichkeiten zum Jubiläum

Das reiche Angebot zum Jubiläum ist unter www.jubilaeum.uni-hamburg.de zu sehen. Der Festakt im Audimax am 10. Mai 2019 und das anschließende Fest auf dem Campus sowie die Universitätsausstellung, die ab September 2019 ins Hauptgebäude einzieht, sind dabei fast schon Pflichttermine.

Bildergalerie
Zum Vergrößern Bild anklicken.
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern
Bild vergrößern

Autor: Arne Offermanns
Fotos: (c) UHH, (c) UHH / Michael Zapf

HBZ · 02/2019
 
Weitere Meldungen:

Aufgeblättert: Buchtipp

Pfeffersäcke mit Nilpferdpeitsche

"Pfeffersäcke" - so nannte der Volksmund die durch Gewürzhandel wohlhabend gewordenen Kaufleute der norddeutschen Hanse spöttisch....
HBZ · 3/2024
 

Geschichten aus Hamburgs Geschichte

Das Chilehaus

Ikone des Backsteinimpressionismus: Das Chilehaus wurde vor 100 Jahren fertiggestellt...
HBZ · 3/2024
 

Nachwuchsnetzwerk zu Besuch

Neujahrsfeier YouNet

Auch in diesem Jahr fand die Neujahrsfeier des Nachwuchskräftenetzwerks YouNet in den Räumlichkeiten des Vereins Hamburger Staatsbeamten r. V. statt....
HBZ · 3/2024
 

Erfolgreichster Bildungsminister Deutschlands tritt ab

Schulsenator a. D. Ties Rabe

Es ist mehr als ungewöhnlich, dass ein scheidender Bildungsminister mit Lob überhäuft wird....
HBZ · 3/2024
 

Ihr Recht in der Praxis

Schlechte Bewertung - was tun?

Heute möchte ich Ihnen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema "Beurteilung" vorstellen (Urteil des 2. Senats vom 12. Oktober 2023, Aktenzeichen 2 A 7.22) - ...
HBZ · 3/2024
 

Das Netzwerk des Führungsnachwuchses

Die Ratten-AG

Sie nennen sich selbst "Ratten". Es zeugt von Selbstbewusstsein und Humor, sich nach Tieren zu benennen, die viele eher als Schädlinge betrachten würden. Dabei gelten die Nager zugleich ...
HBZ · 3/2024
 
 
 
 

TOP