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Grüne Insel mitten im Watt

Die Marschinsel Pellworm


Mitten im Watt liegt die weitläufige Nordseeinsel Pellworm mit ihrer Fläche von 37 km². Umgeben von einem acht Meter hohen und 28 km langen Seedeich leben hier knapp 1.200 Menschen.

Ruhige Strände, auf denen man oft nur eine Handvoll weiterer Touristen antrifft, Robbenbänke in der Umgebung und urgemütliche Lokalitäten mit freundlichen Einheimischen machen die Insel im Watt zu einem Geheimtipp unter den Nordseeurlaubern. Wenn die "Pellworm I" auf Nordstrand losmacht und Fahrt durch das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und die Halligwelt aufnimmt, beginnt bereits hier die Entspannung. Die einzige Buslinie der Insel bietet auch gleichzeitig Inseltouren an, bei denen man alles über Pellworm erfährt.

Mandränke und Legenden

Seit der frühen Wikingerzeit siedelten sich Friesen an der südjütländischen bzw. schleswigschen Küste an. Die Geschichte der Region ist seit jeher von Sturmfluten geprägt. Die frühesten bezeugten Fluten kosteten in den Jahren 1216 und 1230 im Gebiet von Nordfriesland Zehntausende das Leben. Aber auch schon vorher muss es dort verheerende Fluten gegeben haben. Die ersten Warften der Köge - dem Marschland abgewonnenes Gebiet - stammen aus dem 11. Jahrhundert. Warften sind künstlich aufgeschüttete Erdhügel, auf denen Häuser und Ställe zum Schutz von Mensch und Tier sowie Hab und Gut vor Fluten errichtet wurden. Die Warften, die man heute noch auf Pellworm antrifft, stammen aus der Zeit vor dem Deichbau.

Im Jahr 1362 ging der später sagenumwobene Hafenort Rungholt in der "Groten Mandränke" (hochdeutsch: großes Ertrinken) unter und die Insel Strand mit ihrem südwestlichen Teil Pellworm bildete sich. Der Legende nach wurden die durch den Handel unermesslich reichen und dekadenten Inselbewohner von Gott bestraft, weil sie einen Pfarrer dazu gezwungen hatten, einem Schwein die Sterbesakramente abzunehmen. In ruhigen Nächten soll man die Glocken des versunkenen Ortes unter Wasser hören können und alle sieben Jahre taucht Rungholt für die Dauer der Johannisnacht angeblich wieder auf. Aber zurück zu den Fakten.

Die Allerheiligenflut teilte 1436 die Insel Strand in zwei Teile: Pellworm und Nordstrand. Eine weitere Sturmflut 1480 zerriss Pellworm in zwei Teile. Dieser Schaden konnte durch große Anstrengungen beseitigt werden und 1550 waren Pellworm und Nordstrand wieder vereinigt. Doch die Burchardiflut am 11. und 12. Oktober 1634 trennte Pellworm endgültig von Nordstrand. Dabei ertranken allein auf Pellworm etwa 1.000 Menschen. Ursache für die Katastrophe war unter anderem der massive Torfabbau in der Region, der dazu führte, dass der Landpegel sank. Zudem hatten sich die Strömungsverhältnisse im Wattenmeer verändert.

Von den 21 Kirchen auf der Insel Strand gingen 18 in den Fluten verloren. Erhalten blieben die Alte Kirche St. Salvator, die Neue Kirche auf Pellworm sowie die Kirche in Odenbüll auf Nordstrand. Die Wiederbedeichung der nun eigenständigen Inseln fand unter schweren und mühseligen Bedingungen statt. Wer damals mithalf, wurde vom Deichgrafen mit Land und Gut belohnt, wer sich weigerte, musste die Insel verlassen und verlor jegliches Anrecht auf seinen Besitz auf Pellworm. Bis 1687 wurden die meisten Köge eingedeicht. Als letzter wurde der Bupheverkoog im Rahmen des nationalsozialistischen Landgewinnungsprogramms eingedeicht und besiedelt.


Kirchen und Kunstschätze

Die Turmruine der Alten Kirche St. Salvator im Westen der Insel ist neben dem Leuchtturm das weithin sichtbare Wahrzeichen der Insel. Ursprünglich um das Jahr 1200 errichtet, war der "Friesendom" 50 Meter hoch. Dieser Turm war lange Zeit die Landmarke für Schiffe, bis im Jahr 1907 der Pellwormer Leuchtturm in Betrieb genommen wurde. Im Jahr 1611 gab der weiche Boden unter dem Turm nach und der Friesendom stürzte in Teilen ein. Heute misst er nur noch knapp 30 Meter und dient Turmfalken und anderen Vögeln als Nistplatz. Das ehemalige Glockengeläut ist heute in einem kleineren Holzturm östlich der Kirche untergebracht. Neben der Turmruine liegt der "Friedhof der Heimatlosen" - Opfer von Schiffsunglücken und Ertrunkene, die nicht mehr identifiziert werden konnten. Der Sage nach soll der Turm Cord Widderich, dem "Freibeuter von Pellworm", als Versteck gedient haben, von dem aus er auf Raubzug ging. Widderich soll auch das ursprüngliche Taufbecken gestohlen haben, das sich heute in St. Clemens in Büsum befindet.

Die Alte Kirche St. Salvator ist aus schlichtem rotem Backstein gebaut und weist Stilelemente verschiedener Epochen wie der Gotik, der Romanik und dem Barock auf. Nur die Schnitzereien am Gebälk und der Klappflügelaltar, der im 15. Jahrhundert hergestellt wurde, sind besonders prächtig gestaltet. St. Salvator birgt zwei besondere Schätze: das bronzene Taufbecken, das der Erzgießer Hinrich Klinghe 1475 als Ersatz für das gestohlene ursprüngliche Becken angefertigt hatte, sowie eine ganz besondere barocke Orgel. Diese wurde 1711 von dem berühmten Orgelbauer Arp Schnittger gebaut und in den 1980er-Jahren detailgetreu und umfangreich restauriert, sodass sie heute wieder ihr ursprüngliches Klangbild besitzt. Die Kirchenorgel lockt namhafte Künstler aus ganz Europa nach Pellworm, um hier Orgelkonzerte zu spielen - ein Highlight für Musikliebhaber. Orgelkonzerte finden den ganzen Sommer lang jeden Mittwoch statt.

Die Neue Kirche wurde ursprünglich im Jahr 1517 auf Gut Seegarden erbaut und 1621 in die Mitte der Insel auf den Großen Koog verlegt. Teile der Ausstattung, wie die Kanzel von 1638 mit Bibelversen auf Plattdeutsch, stammen aus den Kirchen, die in der Burchardiflut untergegangen sind. 1998 musste die Neue Kirche nach einem Brand vollständig renoviert werden und erhielt dabei ihr heutiges Erscheinungsbild.

Das Momme-Nissen-Haus, benannt nach dem Dominikanerpater, Schriftsteller und Maler Nissen (1870-1943), ist die einzige katholische Kirche der Insel und ein umgebautes altes Bauernhaus. Sie erfreut Touristen und Einheimische mit 14 historischen Glasfenstern, auf denen die große Flut von 1634 abgebildet ist.

Die kleine Pellwormer Museumswelt

Auf der Insel gibt es drei beliebte kleine Museen, die einen Besuch wert sind: das Inselmuseum Pellworm, das wahrscheinlich kleinste Schifffahrtsmuseum Schleswig-Holsteins und das Rungholtmuseum.

Das winzige Inselmuseum Pellworm ist im Dachgeschoss der Kurverwaltung untergebracht und bietet einen guten Einblick in die Geschichte der Insel mit vielen Dingen zum Anfassen für kleine Besucher. Der Eintritt ist frei, aber um Spenden wird gebeten.

Das kleine und etwas chaotische Schifffahrtsmuseum steht direkt an der Nordseite des alten Hafens von Pellworm in einem ausgedienten Hafenschuppen: dem "Dampferschuppen". Hier geht es um unidentifizierte Wrackteile, Rettung, Navigation und Küstensegelschiffe. Die Dauerausstellung "Seefahrt tut Not" widmet sich den Gefahren bei der Seenotrettung. Das Museum wird von Fischern und Seeleuten ehrenamtlich betrieben. Auch hier ist der Eintritt frei und Spenden sind willkommen.

Seit Jahrzehnten sammelt der Hobby-Archäologe Hellmut Bahnsen in seinem kleinen privaten Rungholt-Museum Bahnsen Kulturspuren der untergegangenen Siedlungen rund um Pellworm. Bei seiner Arbeit wird er vom Archäologischen Landesamt unterstützt. Außerdem finanziert er sein Hobby durch Eintrittsgelder und von ihm geführte Wattwanderungen. Seine Watttouren sind bei Inselbesuchern sehr beliebt. Natürlich müssen sie dabei gefundene kulturhistorische Gegenstände an Bahnsen abgeben.


Energiewende voraus!

Mit dem Projekt "SmartRegion Pellworm" nimmt Pellworm eine Vorreiterrolle in der Energiewende ein. Bereits seit den frühen 1980ern werden aus einer Kombination von Wind, Sonne und Biomasse in einem Hybridkraftwerk der E.ON Hanse mehr als 20 Megawattstunden Energie gewonnen, was etwa doppelt so viel ist, wie die Insel benötigt. Der Überschuss wird per Seekabel zum Festland geliefert. Wird zu viel Strom erzeugt, fließt dieser in Hochleistungsbatterien und dezentrale Haushaltsspeicher, die Pellworm bei zu wenig erzeugter Energie versorgen. Mit diesem Projekt soll die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien abgefedert und deren Verwertung vor Ort verbessert werden. Was heute auf Pellworm modellhaft bereits realisiert ist, kann künftig in größerem Maßstab dazu beitragen, die Abhängigkeit von großräumigen Strom-Abtransporten quer durch Deutschland und Europa sowie den dafür erforderlichen Netzausbau zu reduzieren. Das Kraftwerk kann auch besucht werden.

Die letzte Mühle von Pellworm

Die Nordermühle, ein historischer Galerieholländer mit drehbarer Kappe, ist die letzte von früher einmal 12 Windmühlen auf Pellworm. Die Mühle stammt in ihrer heutigen Form aus dem Jahr 1777. Sie steht jedoch auf dem Platz einer Vorgängerin, die wohl ebenfalls als Galerieholländer nach der Flut von 1634 erbaut wurde. Die durch die Fluten zerstörten anderen Mühlen waren überwiegend kleinere Bockmühlen, deren Körper in den Wind gedreht wurden. Die Nordermühle mit ihrem alten, schweren Eichengebälk besitzt einen durchlaufenden Achtkantständer, Segelflügel und einen Vordrehbaum. An der Nordermühle kann man auch erkennen, um wie viele Meter der Deich seit 1634 erhöht wurde, da die Mühle früher auf der Deichkrone stand. Die Windmühle ist nicht mehr im Betrieb und beherbergt heute drei ausgefallene Ferienwohnungen.

Pellwormer auf Zeit

Während der ganzen Saison und teilweise auch danach verwöhnen die urigen Restaurants und Pubs Einheimische und Besucher mit lokalen Köstlichkeiten mit viel Fisch und besonders zu Ostern mit herrlichen Lammgerichten. Zu den Ostertagen erwartet die Gäste auf Pellworm zudem die "Pellwormer Osterwiese", deren Höhepunkt die größte Ostereier- Suchaktion Norddeutschlands ist, bei der 10.000 Ostereier im Stroh versteckt werden. Nach Ostern unterhält die Inselgemeinde die Besucher mit Veranstaltungen wie dem Hafenfest, der Wattolympiade, Bootskorsofahrten, Piratenfahrten und Ausflügen zu den nahen Robbenbänken.

Im Juni dreht sich bei den Pellwormer Rosentagen eine Woche lang alles um Blumen und offene Gärten können besichtigt werden. Auf dem Rosenmarkt werden zudem 350 Rosen einer Pellwormer Züchtung verlost. Im August findet der jährliche "Trifun" statt, bei dem Anfänger und Spitzensportler auf der Insel ihr Können im Triathlon messen. Zudem geben in der Woche der "Offenen Werkstatt" und auf den zahlreichen Kunsthandwerkermärkten der Insel die ansässigen Kunsthandwerker den Inselbesuchern die Möglichkeit, ihnen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen.

Pellworm kann eben nicht nur ruhig und entspannend. Aber trotzdem stehen Strandspaziergänge, Wattwanderungen und Vögel beobachten immer noch ganz oben auf der To-do-Liste für einen Kurzurlaub auf Pellworm. Im Sommer plant der VHSt übrigens einen Tagesausflug nach Pellworm.

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Autor: VHSt
Fotos: Samira Aikas

HBZ · 04/2019
 
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