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Damals und Heute

Der Altonaer Fischmarkt

Reges Marktgeschehen 1930
Reges Marktgeschehen 1930

Denkt man an den Fischmarkt, dann denkt man vor allem an das Fischbrötchen nach einer durchzechten Nacht, an Marktschreier und die Brunchparty in der Fischauktionshalle.

Jeden Sonntag von 5 Uhr im Sommer und ab 7 Uhr im Winter bis 9:30 Uhr findet der Markt statt, auf dem an rund 700 Marktständen nahezu alles verkauft wird. An sonnigen Sommersonntagen kommen etwa 70.000 Einheimische und Touristen, an Wintersonntagen und bei Regen sind es eher 10.000. Die mehr als 300-jährige Geschichte des Fischmarkts ist ebenso faszinierend wie seine Unikate.

Nachdem König Friedrich III. von Dänemark Altona 1664 das Stadtrecht verliehen hatte, durften ansässige Fischer und Händler dort werktags ihre Waren verkaufen. Da es damals noch keine Kühlungsmöglichkeit für die Fischer gab, war dies an Sonntagen nämlich ein Problem. 1703 wurde schließlich eine Verordnung erlassen, nach der die Fischer auch sonntagmorgens verkaufen durften, bis die Glocke halb neun schlug. Die frühe Marktschlusszeit sollte den Gottesdienstbesuch ermöglichen, um Ärger mit dem Klerus zu vermeiden.

Der kleine Markt war noch keine Konkurrenz zu Hamburgs großem Hopfenmarkt. Zwei Jahre, nachdem Altona im Dänisch-Schwedischen Krieg 1713 nahezu völlig niedergebrannt war, wurde er ausgebaut und Gemüse- und Fruchthandel wurden dorthin verlegt. Händler für Milchprodukte, Fleisch und Krämerartikel zogen nach, wodurch das Angebot größer war als auf allen anderen Hamburger Märkten.

Das wachsende Markttreiben bedurfte eines Aufsehers. Jacob Jacobsen, der erste Fischmarktvogt, wurde benannt und alle Händler mussten ihm Miete zahlen. Jacobsen hatte die Stelle im Austausch gegen seine Grundstücke am "Fischerplatz" erhalten, weil die Flächen zur Erweiterung des Marktes gebraucht wurden. Die bürgerliche "Altonaer Brunnengesellschaft von 1722" stiftete dem Markt 1742 den schönen Minervabrunnen, der aus Platzmangel allerdings 1886 für 125 Jahre wieder weichen musste. Aufgrund der zunehmenden Logistikherausforderung verband 1846 erstmals eine Gleisstrecke der Altonaer Hafenbahn den Bahnhof Altona mittels eines Seilzugs über den Geesthang mit dem Fischmarkt, bis 1876 der Schellfischtunnel eröffnet wurde.

Am Ponton vertäute Ruderboote und Segelschiffe, 1904
Am Ponton vertäute Ruderboote und Segelschiffe, 1904

Nachdem sich Schleswig-Holstein gegen Dänemark erhoben hatte und Altona preußisch geworden war, wurde der Fischmarkt abermals vergrößert und umgestaltet, da Hamburg seinen Markt 1870 nach St. Pauli verlegte und dieser nun an den Altonaer grenzte. Das eigens gegründete bürgerliche "Unterstützungsinstitut" stellte der Stadt Altona eine zinslose Anleihe von 400.000 Mark zur Verfügung. Aber auch die Hamburger Fischauktionen, die seit 1886 stattfanden, waren den Altonaern ein Dorn im Auge. Der Finkenwerder Fischer Johann Cohrs setzte sich für Auktionen in Altona ein und wurde 1887 der erste Altonaer Fischauktionator. Fischer erhielten damals für ein Pfund Scholle und Heringe nur rund 10 Pfennig, weswegen Fisch als preiswertes Lebensmittel hoch im Kurs stand. Durch die Auktionen war Altona keine zwei Jahre später der wichtigste Fischereihafen und Fischmarkt im Kaiserreich. Die alte Auktionsfläche war nicht mehr groß genug.

Eine Fischauktionshalle für Altona

Die genietete Buddelstahl-Glas-Konstruktion der neuen Auktionshalle, 1896 eröffnet, wurde einer römischen Markthalle mit einer dreischiffigen Basilika nachempfunden. Im Erdgeschoss wurden Fische sortiert und in Kisten dargeboten, die der Auktionator versteigerte. Die verkauften Fische wurden in mit Eis gefüllte Reisigkörbe gepackt und die leeren Kisten auf den zwei Galerien aufbewahrt, wo auch Netzflicker ihrer Arbeit nachkamen. Damals schmückten farbige Gläser und Bronzefische die Halle, die während des Zweiten Weltkriegs für Granaten eingeschmolzen wurden.

Hamburg und Altona legten 1934 ihre Fischmärkte zusammen. Vier Jahre später wurde Altona in die Hansestadt eingemeindet. In den Kriegsjahren fand der Fischmarkt nicht statt und die Luftangriffe zerstörten fast alle Häuser im nördlichen Teil des Markts. Die Fischauktionshalle kam glimpflich davon. Nach der Währungsreform 1948 wurde der Marktbetrieb wieder aufgenommen.

In den 70ern sollte die Halle nach längerem Leerstand abgerissen werden, doch Proteste in der Bevölkerung konnten die "Freie und Abrissstadt Hamburg" von diesem Vorhaben abhalten. Seit 1982 steht sie unter Denkmalschutz. Die durch den Krieg gerissenen Lücken in der Randbebauung wurden nach historischem Vorbild des Marktes wieder geschlossen. Der Marktplatz wurde gepflastert und der Minervabrunnen kehrte zurück. 1992 wurde der Platz noch mit den beiden Bronzeskulpturen "Typen von der Waterkant" ergänzt.

Fischmarktunikum: Aale-Dieter
Fischmarktunikum: Aale-Dieter

Seebärige Publikumsmagnete

Ihre Stimmen hallen über die rund 20.000 Quadratmeter Marktfläche. Sie gehören den Fischmarktunikaten: Käse-Tommi, Nudel-Olli, Aale-Dieter oder früher auch Eier-Carl.

Damals: Mit Eiergrog zum Weltruhm

Carl Cohrs (nicht verwandt mit Fischauktionator Cohrs) übernahm 1903 die Gastwirtschaft "Eier Carl" von seinem Vater. Das Erfolgsgeheimnis war ein nach streng gehütetem Familienrezept hergestellter Eiergrog, der durch den lauthals anpreisenden, plattdeutsch schnackenden Eier-Carl zum Verkaufsrenner wurde. Touristen aus der ganzen Welt wollten den Eiergrog, aber auch Seeleute und Löwen (Gelegenheitsarbeiter, plattdeutsch: "Leuwen") gaben nicht selten ihren gesamten Lohn für die flüssige Leckerei aus. Nach Cohrs Tod 1939 übernahm dessen Witwe das Geschäft, wurde aber von den Nationalsozialisten zur Schließung gezwungen. Heute befindet sich im Eck-Haus Fischmarkt/Große Elbstraße ein neuer "Eier Carl", der wieder Eierlikör-Spezialitäten im Angebot hat. Auch das Originalschild hängt noch dort. Ob der neue Eiergrog nach Cohrs Originalrezept zubereitet wird, ist jedoch fraglich.

Heute: 60 Jahre frische Aale

Seit 60 Jahren steht Aale-Dieter mit Elbsegler und Fischerhemd bei jedem Wetter auf dem Fischmarkt. Dieter Bruhn, wie der hünenhafte Hamburger eigentlich heißt, fing Ende der 50er bei Aale- Wilhelms Stand an und übernahm dessen Geschäft, als dieser krank wurde. Aale-Dieter, der nebenbei Seminare hält, wurde 1989 vom Managermagazin in die Top-10 der besten Verkäufer Deutschlands gewählt, und das aus gutem Grund. Denn eigentlich wollen die Zuschauer bei ihm keinen Aal oder Räucherlachs kaufen, sondern nur "mal gucken", verlassen den Stand dann aber doch mit vollen Tüten. Das liegt vor allem an Dialogen, die jeden entwaffnen, wie: "Ich weiß, was gut für dich ist, ich könnte dein Vater sein! Kauf mal!" - "Ich bin viel zu alt, um dein Kind zu sein!" - "Nee, ich seh jünger aus, als ich bin. Ich esse viel Aal, solltest du auch. Nimm mal!". Auf die Frage, ob er irgendwann auf dem Fischmarkt aufhören wird, lacht er und sagt, dass er auch mit 100 Jahren noch hier stehen werde. Wie er das schaffen will? Aale essen!

Fotos: Staatsarchiv Hamburg A2319/15, A2319/15 © Erich Andres; 03349/70, 720-1/134-0, 720-1/134-3/03 21 004b, 720-1/134-3/03 41, 720-1/151-3/03 Fi 1900.002, 720-1/151-3/03 Fi 1925.001, 720-1/151-3/03 Fi 1930.003, 720-1/151-3/03 Fi 1930.004, 720-1/151-3/03 Fi 1930.004, 720-1/151-3/03 Fi 1935.001, Samira Aikas, mediaserver.hamburg.de © Escape Filmproduktion

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Autor: VHSt

HBZ · 04/2019
 
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