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Abenteuerliche Geschichte und bunte Gegenwart

Das Gängeviertel

Idyllischer Hinterhof bei der Caffamacherreihe
Idyllischer Hinterhof bei der Caffamacherreihe

Das einst zwielichtige Gängeviertel ist heute ein bunter Freiraum für alle, die daran teilhaben möchten. Seit diesem Sommer erzählt das neue Museum 'Vor-Gänge' die spannende Geschichte und Gegenwart des alternativen Viertels.

Eng zusammen für mehr Bewohner

"Gängeviertel" war die Bezeichnung für Areale innerhalb Hamburgs mit besonders eng bebauten Wohnabschnitten. In Teilbereichen der Alt- und Neustadt wurden die Portalfronten zu derartigen Vierteln zumeist durch Fachwerkhäuser begrenzt, von denen Durchgänge (Twieten) in die Hinterhöfe abzweigten. Rund um die Kirche St. Jacobi entstand bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts das erste von vielen Gängevierteln. Meist waren es Tagelöhner und Hafenarbeiter, die sich in den entstandenen "Buden" in Holzbauweise niederließen.

In der Regel verfügten die Behausungen über zwei kleine Zimmer im Erdgeschoss und ein minimales Dachgeschoss, das aber aufgrund der Bauweise leicht aufgestockt werden konnte. Rund fünf Personen teilten sich etwa 20 m². Es gab lediglich einige Plumpsklos in den Hinterhöfen, die für mehrere Gebäudeblöcke ausreichen mussten. Die Enge, die Feuchtigkeit und die mangelnde Hygiene innerhalb der Häuser bildeten den optimalen Nährboden für Ungeziefer und etliche Krankheiten. Steigende Mietpreise zwangen viele Mieter dazu, zusätzlich noch Untermieter aufzunehmen.


Zwielicht und Kreativität

Während nach dem großen Brand 1842 auf zerstörten Flächen zeitgemäße Bauten entstanden, stagnierte die Entwicklung in den Gängevierteln. Von städtischer Verwaltung und staatlicher Obrigkeit nur schwer zu kontrollieren, waren sie nicht nur beliebter Hort für Arbeiter, sondern auch Rückzugsort für Prostituierte und Kriminelle. Doch sie waren auch Orte für enge Nachbarschaft, die verbunden durch Freiheitsliebe und das alltägliche Elend für eine tief verwurzelte Solidarität sorgte. Die Wohnareale erwiesen sich als Entwicklungsorte für einen kreativen Zeitgeist und brachten eine Menge prominenter Köpfe hervor, wie Arthur Schopenhauer, Johannes Brahms, die Geschwister Mendelsohn oder Wolfgang Borchert. Zudem pulsierte hier das Zentrum der jüdischen Gemeinde und des politischen Aufbruchs.

Vorm Abriss bewahrt

Nach der Choleraepidemie im Jahre 1892 wurden die Viertel zu großen Teilen abgerissen. An der Westseite des Bäckerbreitergangs bis zur Ecke des Dragonerstalles kann man noch elf Häuser und zwei Doppelhaushälften als Überbleibsel der einstigen Bebauungsart sehen. Insgesamt erstreckt sich das Areal heute auf rund 9.000 m² Außenflächen, 7.000 m² Innenräume, von denen etwa 4.500 m² Wohnraum sind, und ungefähr 2.500 m² soziokulturelle Flächen, die Ateliers und temporäre Wohn- sowie Gewerbeflächen beherbergen.

Das Areal unterlag in der Neuzeit immer wieder spekulativen Investitionsmaßnahmen und Abrissvorhaben. Aktivisten der kunstschaffenden Organisationskultur "Komm in die Gänge" besetzten 2009 die verbliebenen Bauten. Die Organisation ging in den "Gängeviertel e. V." und die "Gängeviertel Genossenschaft e. G." über. Der Verein kümmert sich um das kulturelle und politische Programm, die Genossenschaft um das Finanzielle und die Gebäude. Ende 2009 kaufte die Stadt die Gebäude vom letzten Investor zurück. Das Gängeviertel ging in das Treuhandvermögen der Stadtentwicklungsgesellschaft STEG über, die gemeinsam mit den Aktivisten ein Entwicklungskonzept erarbeitete. 2012 gab es internationalen Rückenwind, als die UNESCO das Gängeviertel zum Ort kultureller Vielfalt erklärte. Dieses Jahr unterschrieben die Gängeviertel Genossenschaft und der Hamburger Senat einen Erbbaurechtsvertrag, der die Zukunft des selbstverwalteten Kultur- und Wohnorts für die nächsten 75 Jahre sichert.

Zwei der baufälligen Häuser sind bereits saniert. Die anderen Gebäude werden nach und nach folgen. Der Wert zur Berechnung des zu entrichtenden Erbbauzinses von zwei Prozent, den die Stadt eintragen ließ, liegt bei 15,4 Millionen Euro. Die erste Sanierung trägt die Stadt Hamburg. Sie stellt insgesamt 20 Millionen Euro für die nutzungs- und denkmalgerechte Sanierung zur Verfügung. Die nächste Sanierung in 30 Jahren übernimmt die Gängeviertel Genossenschaft dann selbst. "Mit dem Kapital, das wir jetzt haben, und dem, was wir mit dem Viertel erwirtschaften, können wir alle Erwerbsnebenkosten tragen, den ganzen Kauf abwickeln und über die kommenden Jahre eine Rücklage für die zwölf Häuser bilden", sagt Till Haupt, Vorstandsvorsitzender der Gängeviertel Genossenschaft und Vorstandsmitglied des Vereins.

Gängeviertel Vereinsbüro
Valentinskamp 34

Öffnungszeiten:
Montag: 14 bis 18 Uhr
Mittwoch: 10 bis 12 Uhr
www.das-gaengeviertel.info

Die Fabrique im Gängeviertel
Speckstraße 34 a
www.fabrique.das-gaengeviertel.info


Das neue Museum 'Vor-Gänge'
Das neue Museum 'Vor-Gänge'

Was bietet das Gängeviertel?

Morgens ist nicht viel los, erst gegen Nachmittag kommt Leben ins Viertel. Generell ist es hier etwas chaotisch und abgesehen von den Gewerbe- und Gastronomiebetrieben hat nur das Büro im Valentinskamp feste Öffnungszeiten. Dieses Jahr hat im Viertel das Museum für alternative Stadt "Vor-Gänge" eröffnet, in dem die Geschichte und Gegenwart des Gängeviertels vorgestellt werden. "Das Museum ist leider nicht regelmäßig geöffnet, da es, wie alles hier, von Ehrenamtlichen betrieben wird. Am besten erkundigt man sich im Vereinsbüro", sagt Till Haupt.

Während die "Jupi Bar" das geheime Wohnzimmer der Gängeviertler ist, ist die "Fabrique" das Herzstück. Hier befinden sich auf fünf Etagen viele Initiativen und Nutzungsangebote. Dazu gehören unter anderem eine Siebdruckerei, ein Seminarraum für ästhetische und politische Bildung, ein kollektiv genutztes Fotostudio, Tanz- und Theaterproberäume, der freie und nichtkommerzielle Radiosender FSK, ein syrisches Kulturcafé, Ausstellungsräume sowie ein Veranstaltungsraum, in dem Lesungen, Konzerte, Partys und regelmäßig am letzten Sonntagabend im Monat ab 17 Uhr der Ü60(ab 60 Jahre)- Tanzabend "Faltenrock" stattfinden.

Till Haupt rät Interessierten, nachmittags einmal vorbeizukommen, die Leute anzusprechen oder einen Schnupperkurs in einem der vielfältigen Angebote auszuprobieren. Wer mehr wissen möchte, kann auch zu den öffentlichen Sitzungen des Vereins in den Seminarraum der Fabrique kommen, die jeden zweiten und vierten Mittwoch um 19 Uhr stattfinden.

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Autor: VHSt
Fotos: Samira Aikas

HBZ · 12/2019
 
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