VHSt - Hamburgischer Verein für den öffentlichen Dienst
Hamburgischer Verein für den öffentlichen Dienst
 
Aktuelle Ausgabe
Titelfoto: © Ansicht des Chilehauses (c) stahlpress

Das Mitgliedermagazin

Hamburgische Zeitschrift für den öffentlichen Dienst

 

Mitglied werden

Profitieren Sie von der Mitgliedschaft im VHSt. Einfach ausdrucken und ausgefüllt an uns senden.

 

BESONDERE VERANSTALTUNGEN


 

Top-Themen

Meistbefahrene künstliche Wasserstraße

Nord-Ostsee-Kanal: Warten auf die Jubiläumsfeier

Das originale Festprogramm zur Eröffnungsfeier des Nord-Ostsee-Kanals vom 18. bis 28. Juni 1895, Privatarchiv Dorit Vering
Das originale Festprogramm zur Eröffnungsfeier des Nord-Ostsee-Kanals vom 18. bis 28. Juni 1895, Privatarchiv Dorit Vering
Die künstliche Verbindungslinie zwischen der Kieler Förde und der Elbmündung bei Brunsbüttel, die sich rund 100 Kilometer durch Schleswig-Holstein erstreckt, wird heute jährlich von rund 30.000 Schiffen passiert und ist seit 126 Jahren in Nutzung.

Durch die Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie wurden die Feierlichkeiten zum 125. Jubiläum des Nord-Ostsee-Kanals (NOK) erst auf 2021 und nun auf 2022 verschoben. Trotzdem berichten wir Ihnen schon jetzt über diese meisterhafte Wasserstraße, da unser langjähriges VHSt-Mitglied Dorit Vering eine sehr persönliche Geschichte erzählen kann: Ihr Großonkel wirkte maßgeblich am Bau des NOK mit.

Erste Pläne der Wikinger

Schon die in Haithabu an der schleswig-holsteinischen Schlei beheimateten Wikinger überlegten im 7. Jahrhundert, einen Kanal zur Verbindung von Ost- und Nordsee zu errichten. Vom einzigen deutschen Fjord über Treene und Eider wäre der zu überwindende Landweg relativ kurz gewesen und Ochsengespanne hätten die leichten Boote des Nordvolkes einfach transportieren können. Da sich die Handelswege im Norden jedoch verschoben und die Hansestadt Lübeck als neues Zentrum emporstieg, wurden die Kanalbaupläne verworfen.

Vom Eiderkanal zum NOK

Erst unter dem dänischen König Christian wurde 1784 mit dem Eiderkanal, der in Kiel begann und bei Rendsburg in die Eider mündete, eine Vorläuferanlage realisiert. Als knapp 100 Jahre später der Deutsch-Dänische Krieg begann, war es der preußische Kanzler Otto von Bismarck, der genauere Planungen für die Erbauung eines Kanals zwischen den Meeren in Auftrag geben ließ, um vor allem den Schiffen der Marine ein sicheres Geleit bei einer Passage zu ermöglichen sowie das Umschiffen der dänischen Halbinsel Jütland überflüssig zu machen und so eine Wegstrecke von etwa 250 Seemeilen zu sparen, was rund 460 Kilometern entspricht.

Die Vorzüge der militärischen Nutzung eines Kanals konnten führende Generäle wie Helmuth von Moltke nicht überzeugen und Kanzler Bismarck musste sich andere Partner für die Realisierung eines Kanalprojektes suchen. Er fand einen in Person des Hamburger Reeders Heinrich Dahlström, der später im Volksmund nur Heinrich "Kanalström" genannt wurde. Zusammen mit dem aus der niedersächsischen Stadt Einbeck stammenden Ingenieur Fritz Boden wurden Pläne erstellt, die der heutigen Streckenführung von der Schleusenanlage in Kiel-Holtenau bis zur Schleusenanlage in Brunsbüttel fast gänzlich entsprachen. Otto von Bismarck gelang es, den neuen deutschen Kaiser Wilhelm I. von den Vorzügen eines Kanals zu überzeugen, und dieser erteilte im Jahr 1883 den Bauauftrag. Nach etlichen Debatten und der Zustimmung zum Megabauvorhaben durch den Reichstag erfolgte durch den Kaiser persönlich am 3. Juni 1887 die Grundsteinlegung in Holtenau. Unter den Anweisungen des leitenden Ingenieurs Otto Baensch begannen zwischen 8.000 und 9.000 Arbeiter damit, etwa 80 Millionen Kubikmeter Erdreich zu bewegen, Uferböschungen zu befestigen und die beiden großen Schleusenanlagen zu bauen. In der ersten Bauphase betrug die Breite des Kanals 67 Meter bei neun Metern Tiefe.

Nach acht Jahren Bauzeit konnte Kaiser Wilhelm II. den Kanal, der fortan nach seinem Großvater Kaiser-Wilhelm-Kanal heißen sollte, am 20. Juni 1895 einweihen. Der Regelbetrieb wurde einen Monat später aufgenommen. Als bemerkenswerte Randnotiz ist festzuhalten, dass der Bau die vorher veranschlagten Gesamtkosten von 156 Millionen Mark nicht überschritt. Neben all der technischen Präzisionsleistung auch in finanzieller Hinsicht eine ungewöhnliche Punktlandung für ein Jahrhundertbauwerk dieser Größenordnung. Zur Finanzierung führte Kaiser Wilhelm II. rückwirkend die Schaumweinsteuer ein.

Hermann Vering und Pionier des Verkehrswegebaus

Hermann Vering, der Großonkel unseres Mitglieds Dorit Vering, war ein großer deutscher Bauunternehmer und ein Pionier im Verkehrswegebau des 19. Jahrhunderts. Er realisierte unter anderem Großbauten wie die Bahnstrecke zwischen Bremen und Hamburg, den Hafen Norddeich, den Freihafen Stettin sowie die Hauptbahnhöfe in Düsseldorf und Hannover. Viele dieser Bauten wurden im Laufe der Zeit verändert, nicht aber der NOK. Verings Bauunternehmen führte den größten Teil der Erdarbeiten der westlichen Hälfte des NOKs aus und war maßgeblich am Bau der Schleuse Brunsbüttel beteiligt.

Dorit Verings Großonkel war nicht nur ein erfolgreicher Bauunternehmer, sondern erwarb auch zehn Patente für Maschinen, die er als Ingenieur entwarf. Als Arbeitgeber war Vering sehr auf das Wohl seiner Arbeiter bedacht. Er besorgte ihnen Wohnungen, stellte ihnen eine Kantine zur Verfügung und schloss Lebensversicherungen für sie ab, die er teilweise aus eigener Tasche bezahlte. Als er 1922 starb, hinterließ er sein Gut Wulsdorf der Stadt. Dorit Vering engagiert sich sehr dafür, dass die Leistungen ihres Großonkels nicht in Vergessenheit geraten, und begleitet oft Stadtrundgänge durch Wilhelmsburg, wo ganze Straßenzüge nach ihm benannt sind.

Gruppenfoto der Arbeiter von Hermann Vering (Privatarchiv von Dorit Vering)
Gruppenfoto der Arbeiter von Hermann Vering (Privatarchiv von Dorit Vering)

Steigende Anforderungen an den NOK

Da Kaiser Wilhelm II. sich in den Folgejahren besonders von riesigen Kriegsschiffen begeistern ließ, kamen die ursprünglichen Maße schnell an ihre Grenzen, sodass bereits zwischen 1907 und 1914 der Ausbau des 98,6 Kilometer langen Kanals auf eine Breite von 102,5 bis 162 Metern sowie eine Vertiefung auf elf Meter erfolgte. Im Rahmen der Ausbauten mussten auch die Schleusentore in Kiel und Brunsbüttel erneuert werden. Allein diese Folgearbeiten, die auch einige Ausweichstellen entlang der Kanalroute beinhalteten, verschlangen 242 Millionen Mark und waren damit teurer als die gesamte vorherige Errichtung des Kanals.

Aufgabenstellung und Investitionen im 21. Jahrhundert

Für die Anforderungen an die Infrastrukturen im 21. Jahrhundert bedarf es etlicher Neuerungen und Sanierungen der altehrwürdigen Kanalstrecke und des unmittelbaren Umfeldes. Besonders die alten Schleusentore bereiten immer wieder Probleme. Die große Schleuse in Brunsbüttel ist seit 1914 durchgehend in Betrieb und muss deshalb saniert werden. Um die Leistungsfähigkeit des NOKs zu gewährleisten, wird in einem ersten Schritt derzeit in Brunsbüttel im Bereich zwischen den bestehenden Schleusen eine neue Schleuse gebaut. Mit einer Nutzlänge von 330 Metern wird sie 20 Meter länger sein als die vorhandenen Schleusenkammern. Auch die kleine Schleuse in Kiel muss nach über 100 Jahren Betrieb saniert werden. Danach erfolgt der Ersatzbau der großen Schleuse.

Auch die rund 18 Kilometer lange Oststrecke des Kanals entspricht noch immer dem alten Kanalbett von 1914 und ist heute ein Engpass für die Schifffahrt. In diesem Bereich wird die Kanalböschung ausgebaut und die Sohle auf eine Mindestbreite von 70 Metern erweitert. Die 1893 erbaute Levensauer Hochbrücke, eine kombinierte Fußgänger-, Straßen- und Eisenbahnbrücke, ist die älteste Brücke des NOKs. Ihre Durchfahrtsbreite ist für die heutige Schifffahrt zu klein und das Ende ihrer technischen Lebensdauer wurde für 2024 berechnet, weshalb auch sie ersetzt werden soll. Der Kanaltunnel Rendsburg ist seit Jahren eine Dauerbaustelle. Auch die Rader Hochbrücke muss durch einen Neubau ersetzt werden.

Kürzungen von Bundesmitteln machen es dem Land Schleswig-Holstein allerdings schwer, umfassende Maßnahmen zur Erneuerung aller Großprojekte zügig zu bewerkstelligen. Allen Widrigkeiten zum Trotz ist der NOK mit seinen zehn Brücken, vierzehn kostenlosen Fähren, zwölf Weichen und zwei Tunneln eine wichtige Verkehrsader. Er ist eine touristische Attraktion und der größte künstliche Vorfluter Schleswig-Holsteins, d. h., große Teile Schleswig-Holsteins werden über den Kanal entwässert.

Für die weitere Zukunft des Nord-Ostsee-Kanals wünscht sich Dorit Vering, dass er auch weiterhin befahrbar bleibt.

Quellen: Dorit Vering; Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt, Bonn; Bundesschifffahrtsamt; Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Nord-Ostsee-Kanal, Kiel; Touristische Arbeitsgemeinschaft NOK, HBZ 10/2015

Autor: VHSt
Fotos: Privatarchiv von Dorit Vering

HBZ · 06/2021
 
Weitere Meldungen:

Geschichten aus Hamburgs Geschichte

Das Chilehaus

Ikone des Backsteinimpressionismus: Das Chilehaus wurde vor 100 Jahren fertiggestellt...
HBZ · 3/2024
 

Nachwuchsnetzwerk zu Besuch

Neujahrsfeier YouNet

Auch in diesem Jahr fand die Neujahrsfeier des Nachwuchskräftenetzwerks YouNet in den Räumlichkeiten des Vereins Hamburger Staatsbeamten r. V. statt....
HBZ · 3/2024
 

Erfolgreichster Bildungsminister Deutschlands tritt ab

Schulsenator a. D. Ties Rabe

Es ist mehr als ungewöhnlich, dass ein scheidender Bildungsminister mit Lob überhäuft wird....
HBZ · 3/2024
 

Ihr Recht in der Praxis

Schlechte Bewertung - was tun?

Heute möchte ich Ihnen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Thema "Beurteilung" vorstellen (Urteil des 2. Senats vom 12. Oktober 2023, Aktenzeichen 2 A 7.22) - ...
HBZ · 3/2024
 

Das Netzwerk des Führungsnachwuchses

Die Ratten-AG

Sie nennen sich selbst "Ratten". Es zeugt von Selbstbewusstsein und Humor, sich nach Tieren zu benennen, die viele eher als Schädlinge betrachten würden. Dabei gelten die Nager zugleich ...
HBZ · 3/2024
 

Keine Angst vor dem Finanzamt

Einkommenssteuerberatung des VHSt

Der erfahrene Steuerberater Jörg Hahn berät alle Mitglieder des Vereins Hamburgischer Staatsbeamten kompetent rund um das Thema Steuererklärung - kostenlos. Fu...
HBZ · 3/2024
 
 
 
 

TOP