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Konsulatsstadt Hamburg Teil 4: Russland

Partnerschaftliche Beziehungen vom Zarenreich bis zur Föderation

Das russische Generalkonsulatsgebäude am Feenteich an der Außenalster in Hamburg-Uhlenhorst
Das russische Generalkonsulatsgebäude am Feenteich an der Außenalster in Hamburg-Uhlenhorst

Russland ist das größte Land der Erde, eine der stärksten Volkswirtschaften und viertwichtigster Handelspartner des Hamburger Hafens.

Im Zuständigkeitsbereich des Generalkonsulats, der neben Hamburg auch Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen umfasst, leben rund 130.000 Russinnen und Russen. Komplizierte diplomatische Beziehungen, Anliegen aller Art der hier lebenden russischen Staatsbürger und die Ausnahmesituation der Corona-Pandemie stellen das Generalkonsulat vor große Herausforderungen. Wir haben den amtierenden Generalkonsul Andrei Sharashkin interviewt und uns mit der Geschichte und gegenwärtigen partnerschaftlichen Beziehung von Russland und Hamburg beschäftigt.

Von Afrika über Tschechien nach Deutschland

Andrei Sharashkin wurde 1966 in der Stadt Sowjetskaja Gavan, einer kleinen pazifischen Hafenstadt unweit der Hafenstadt Wladiwostok, geboren. Nachdem er das Moskauer Staatliche Institut für Internationale Beziehungen absolvierte, arbeitete Sharashkin in Guinea, Madagaskar und Südafrika. Sein erstes Amt als Generalkonsul hatte er von 2011 bis 2015 in Brünn (Brno) in Tschechien inne. In Deutschland war er vor seinem Amtsantritt in Hamburg nur als Tourist gewesen. Andrei Sharashkin spricht fließend Französisch und Englisch sowie Tschechisch, das er während seiner Arbeit in Brünn lernte. Vor dem Wechsel nach Hamburg Anfang Juni 2018 arbeitete er im Europabereich des russischen Außenministeriums.

Der Generalkonsul lebt nun seit drei Jahren mit seiner Frau in Hamburg. Nach seiner Beziehung zu der Hansestadt gefragt, meint Sharashkin: "Der große Hafen und die Elbe prägen eine besondere Weltanschauung und das unvergleichbare Flair in Hamburg. Ich freue mich immer, mich mit Hamburgerinnen und Hamburgern zu unterhalten. Vor allem mit Menschen, denen die deutsch-russischen Beziehungen am Herzen liegen. Gerne führe ich Gespräche mit Unternehmern, die in Russland aufschlussreiche Projekte vorantreiben und Produktionsstätten eröffnen."

Historisch enge Verbindungen

Die Verbindungen der Hansestadt mit dem Vielethnienstaat Russland blicken auf eine traditionsreiche, über 300 Jahre währende Geschichte zurück. Schon bevor Zar Peter der Große seiner neuen Hauptstadt am finnischen Meerbusen und an der Newa zu prächtigem Glanz verhalf, befuhren hanseatische Kaufleute den Ostseeraum und pflegten gute Verbindungen nach Nowgorod, dem bis dato wichtigsten Handelszentrum für die Belange Hamburgs.

Auch Hamburgs heutige Partnerstadt St. Petersburg spielte schon immer eine wichtige Rolle in den Beziehungen zwischen Russland und Deutschland und insbesondere Hamburg (HBZ 6/2020 berichtete). Für den Zugang zur europäischen Finanz- und Bankenwelt war die Verbindung zu Hamburg von enormer Bedeutung für Russland. So konnten beispielsweise durch Hamburger und andere europäische Bankhäuser die Unterhaltskosten für das Diplomatische Korps sowie das ausländische Korps der Armee gedeckt werden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts waren etliche Hamburger Banken eng mit St. Petersburger Geldinstituten verbunden. Ein Ergebnis dieser Zusammenarbeit war die Sicherstellung des Eintritts Russlands in das Weltbankensystem.

Die damalige Infrastruktur war noch nicht weit ausgebaut, sodass es nur wenige Eisenbahnstrecken oder gut befahrbare Straßennetze innerhalb des russischen Reichs gab. Auf dem Seeweg liefen die Schiffe unweigerlich die Häfen der Hanse und vor allem Hamburg an, bevor die Reise von dort weiterging. Das Mitte des 19. Jahrhunderts in Hamburg eröffnete Hotel St. Petersburg war Zeuge jener Zeit, als Hamburg zur wichtigen Schnittstelle für das Zarenreich wurde, besonders, als nur kurz darauf immer mehr Eisenbahnverbindungen wie die Strecke nach Berlin das Weiterreisen erheblich vereinfachten. Zusätzlich war Hamburg Anlaufstelle für viele Migranten aus dem Osten.

Der Generalkonsul der Russischen Föderation in Hamburg: Andrei Sharashkin
Der Generalkonsul der Russischen Föderation in Hamburg: Andrei Sharashkin

Diplomatie und Pandemie

Oktoberrevolution, Sowjetstaat, zwei Weltkriege, deutsche Teilung und auch spätere politische Spannungen machten die vielschichtigen Beziehungen zwischen Hamburg und Russland komplizierter, doch die Verbindung riss nie ab. Laut dem Generalkonsulat gibt es derzeit etwa 600 Unternehmen in Hamburg, die nachhaltige Handelsbeziehungen zu Russland pflegen. Die meisten Kooperationen bestehen im Schiffs- und Flugzeugbau, bei Transport und Logistik sowie in der Medizintechnik. Damit ist die Hansestadt immer noch einer der wichtigsten Wirtschafts- und Handelspartner für Moskau in der Bundesrepublik. Aktuelle und genauere Zahlen zu nennen ist laut Sharashkin jedoch nicht möglich, da das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie noch nicht vollkommen ersichtlich ist.

Die Erfahrungen Hamburgs bei der Überwindung der Corona-Folgen sind von besonderem Interesse für den Generalkonsul. Auch für das Generalkonsulat Russlands kam zwischen März und April 2020 die neue Mammutaufgabe, alle verbliebenen Touristen bei ihrer Rückkehr nach Russland zu unterstützen, hinzu. "Unterstützungsbedarf gab es vor allem bei schwerkranken Menschen, die hier in Krankenhäusern medizinisch versorgt wurden. Auch ältere Bürgerinnen und Bürger und Familien mit Kindern waren im Mittelpunkt. Wir geben uns viel Mühe, das Coronavirus in unserem Konsulat in Schach zu halten. So haben sich die meisten meiner Mitarbeiter mit dem russischen Impfstoff Sputnik V impfen lassen", sagt Sharashkin.

Wirtschaft, Kultur und Erinnerungskultur

Neben der Konsularabteilung der Botschaft der Russischen Föderation in Berlin ist der Standort in Hamburg eines von fünf russischen Generalkonsulaten in Deutschland. Während das Generalkonsulat in München nur für Bayern zuständig ist, haben die Standorte in Bonn, Frankfurt am Main, Leipzig und Hamburg mehrere Bundesländer zu betreuen. Neben den Verwaltungsaufgaben ist das Konsulat der Russischen Föderation am Feenteich auch Russlands Außenstelle für repräsentative, aufklärende sowie kulturelle Angelegenheiten in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Nach seinen persönlichen Aufgaben gefragt, antwortet Sharashkin: "Ich leite das Konsulat und bin für dessen umfangreiche Arbeit verantwortlich. Ich pflege Kontakte zu den Vertretern der Landesbehörden, Wirtschaftsvereinen und Kulturkreisen." Auch die Zusammenarbeit mit dem konsularischen Korps oder die Vorbereitung und Teilnahme an der Arbeit hochrangiger Delegationen aus Russland gehört zu seinem Arbeitsfeld. Während vor der Pandemie Ende 2019 die Schlussfeier des Russian Seasons Festivals noch groß in der Elbphilharmonie ausgetragen wurde, fanden 2020 und auch dieses Jahr die meisten Veranstaltungen digital statt.

Immer wieder stehen in der Arbeit des Generalkonsulats auch die Erinnerung an die Gräuel des Zweiten Weltkrieges, das Gedenken und die Aussöhnung im Vordergrund. So veranstaltete das Konsulat in diesem Jahr eine interaktive Fotoausstellung, um an in Hamburg lebende Kriegsteilnehmer zu erinnern. Anfang Mai würdigte das Konsulat mit einer Kranzniederlegung die Opfer des damaligen Konzentrationslagers Neuengamme und der russische Generalkonsul Andrei Sharashkin nahm an Trauerveranstaltungen im niedersächsischen Bad Fallingbostel und dem Rosengarten bei der Schule am Bullenhuser Damm teil. Rund 20 Gedenkstätten wurden im Mai und Juni von Konsulatsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern besucht und Kränze niedergelegt. "Im Juni dieses Jahres beteiligte ich mich persönlich an Veranstaltungen der norddeutschen Gedenkstätten zum 80. Jahrestag des Überfalls des Nazideutschlands auf die Sowjetunion", sagt Sharashkin.

Der Bereich für konsularische Dienstleistungen im Generalkonsulat
Der Bereich für konsularische Dienstleistungen im Generalkonsulat

Aktive russisch-deutsche Vereine

Bei einer so großen russischen Gemeinde ist es kein Wunder, dass man viel Russland in Hamburg findet. Viele Menschen setzen sich trotz der aktuellen politischen Lage für Verständigung und Zusammenarbeit ein. Ein besonderes Beispiel hierfür ist die Deutsch-Russische Gesellschaft in Hamburg e. V., die ihre Prioritäten auf die Bereiche humanitäre Hilfe, Sozialprojekte und Begegnung gelegt hat. Weitere Einrichtungen sind der Hamburger Verein der Deutschen aus Russland (HVDaR), der Tanzbrücke-Verband, die Teremok-Schule oder das Tschaikowski-Haus, ein russischsprachiges Zentrum für Bildung und Kultur. "Die Palette an Vereinen ist richtig bunt und breit. Wir stehen stets im Dialog mit den Verbänden der russischen Landsleute, russischsprachigen Bildungszentren, Gedenkstätten, Geschichtswerkstätten und Unternehmenskreisen", so Andrei Sharashkin.

Borschtsch und Tariwerdijew statt Labskaus

Auch musikalisch sind Russland und die Hansestadt eng miteinander verbunden: "In Hamburg sind viele Sehenswürdigkeiten mit Russland verknüpft. Im Michel werden alle zwei Jahre im Mai Orgelkonzerte im Rahmen der Festspiele zu Ehren des russischen Komponisten Mikael Tariwerdijew veranstaltet. Große russische Künstler sind nicht selten in der Elbphilharmonie live zu erleben", sagt Sharashkin.

Läden wie der Mix Markt oder der Ferro Markt bieten russische Lebensmittel und Leckereien, die es in deutschen Supermärkten nicht gibt. Gastronomiebetriebe wie das Restaurant Grand Buku in der Hallerstraße mit seiner russischen und kaukasischen Küche und der abendlichen Livemusik sind wichtige Treffpunkte für Hamburger Russinnen und Russen und Liebhaber russischer Spezialitäten. Generalkonsul Sharashkin hat auch noch einen kulinarischen Tipp: das Café und Bistro Hermitage in Eppendorf mit seinen russischen Spezialitäten. Probieren Sie doch mal eine herbstliche Borschtsch-Suppe oder Pelmeni-Teigtaschen.

Quellen: Generalkonsulat der Russischen Föderation in Hamburg, Regierung von Sankt-Petersburg, Informations- und Wirtschaftszentrum in Hamburg, Deutsch-Russische Gesellschaft Hamburg e. V. (DRG), Hamburg.de


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Autor: VHSt
Fotos: (c) Generalkonsulat der Russischen Föderation in Hamburg

HBZ · 10/2021
 
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