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Streifzüge durch (fast) 150 Jahre VHSt

Neues Altvertrautes

Titelbild der Festschrift zum Vereins-Jubiläum 1929
Titelbild der Festschrift zum Vereins-Jubiläum 1929

Eine neue Rubrik und eine neue Autorin in der HBZ: wozu das? Diese Nummer gibt den Startschuss für ein Projekt, das den Verein selbst zum Gegenstand hat.

Bis jetzt (fast) unbemerkt steuert der nämlich auf ein besonderes Datum im Januar 2029 zu: imposante 150 Jahre facettenreiches wie wechselhaftes Vereinsleben im Stadtstaat. Damit ist der Verein Hamburgischer Staatsbeamten r. V. zwar nicht Hamburgs ältester - den für Hamburgische Geschichte gibt es beispielsweise seit 1839, den für niederdeutsche Sprachforschung seit 18741 -, doch aber eine durchaus "altehrwürdige" Institution, wie die Stadtgeschichtsschreibung gern diese berufsständische Selbsthilfeorganisation nennt.

150! - und was dann?


Die in regelmäßigen Abständen gefeierte kalendarische Wiederkehr eines Gründungsmythos lädt naturgemäß zur symbolischen Verdichtung zunächst kleiner, dann immer größer werdender Zeiträume ein. Daraus entsteht ein geradezu magischer Effekt, den Goethe einst als "Kristallisation" bezeichnete: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schießen wie unter einem Brennglas zusammen und ermöglichen Selbstvergewisserung, Prüfung des Vorhandenen, Weichenstellung für Zukünftiges, die Chance auf Neues. Jubiläen erweisen sich als solch inspirierende Kristallisationspunkte - aber auch besondere historische Ereignisse oder elektrisierende Namen, die als Eponyme für sinnstiftende Personen und Orte der Erinnerung stehen. Doch Vereinsgeschichte ist weder Staats-, Wirtschafts- oder Sozialgeschichte noch allgemeine Bildungs- oder Kulturgeschichte - auch wenn sie von allen diesen etwas hat oder anders: zu ihnen erstaunlich Erhellendes beizusteuern vermag. Was ist also von dieser Rubrik in der Zeit bis zum Jubiläum zu erwarten? Sie wird sich exemplarisch im Großen befassen mit Idealen, Wünschen, Forderungen, Niederlagen, Innovationen und Erfolgen des Vereins und im Kleinen, nämlich bezüglich der Mitglieder, Funde präsentieren zu besonderen Dingen und Ereignissen, Sorgen, Problemen oder Freuden des beruflichen wie privat zu bewältigenden Alltags.

Allzumenschliches


Im Jahr vor der Vereinsgründung erschien im Andenken an den großen Aufklärer Voltaire eine philosophische Schrift, die mit Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister überschrieben war. In ihr traktiert Friedrich Nietzsche in einem Rundumschlag - mehr aus männlicher denn menschlicher Sicht - lauter Themen, die in modifizierter Fassung noch heute und auch zukünftig immer wieder neu zu diskutieren sind. Sie reichen Von den ersten und den letzten Dingen über Das religiöse Leben bis zur Seele der Künstler und Schriftsteller, über Anzeichen höherer und niederer Kultur. Der Mensch im Verkehr, Weib und Kind bis zum Blick auf den Staat. Am Ende steht da fast ehern Der Mensch mit sich allein.

Hamburgischer Correspondent 150, Nr. 295 (11.12.1880), S. 8 'Tagesneuigkeiten'
Hamburgischer Correspondent 150, Nr. 295 (11.12.1880), S. 8 'Tagesneuigkeiten'

Hier setzt unsere Geschichte ein. Denn um das genaue Gegenteil von Vereinzelung geht es bei Zusammenschlüssen von (natürlichen und/oder juristischen) Personen zu einer Organisation, die für eine gewisse Dauer einem bestimmten Zweck gewidmet ist. Seit 1879 fanden und finden sich in diesem Sinne in Hamburg aktiv Menschen aus dem Beamtentum (= anfangs nur Männer) zum Zweck der Pflege des geistigen und geselligen Lebens, der Förderung des wirtschaftlichen Wohls und Vertretung ihrer Standesinteressen zusammen - in der aktuellen Vereinssatzung: um "auf gemeinnütziger Grundlage und aus dem Gedanken der Selbsthilfe das wirtschaftliche und kulturelle Wohl seiner Mitglieder zu fördern". Die Vereinsmitglieder waren und sind in ihrer weiten Spannbreite unterschiedlicher Vor- und Ausbildungen, Berufsfelder und Tätigkeiten, Wohn- und Lebensverhältnisse durch zumindest eines verbunden: einen gemeinsamen Dienstherrn, nämlich den (in Hamburg: Stadt-)Staat.

Stadtstaatliches


Insofern kreist die nun in Angriff genommene Geschichte dieses Vereins nicht nur um die in ihm agierenden Menschen, sondern auch um das Staatswesen, auf das er jeweils Bezug nahm und nimmt - und da insbesondere um dessen DNA, die Verwaltung. Doch Staat und Verwaltung sind, wie der Verein selbst, nicht statisch, sondern seit dessen Gründung ebenfalls in steter Entwicklung begriffen. Und jetzt wird's kompliziert, denn ihre jeweilige politische Verfasstheit nimmt entscheidenden Einfluss auf den entsprechenden Gestaltungsraum der individuellen Leben von Staatsbediensteten, die paradoxerweise als solche einerseits Arbeitnehmer des Staates und andererseits gewissermaßen mit diesem als Arbeitgeber identisch sind, nämlich durch ihre Stellung als Ausführende und Repräsentanten der Exekutive.

Die Raffinesse dieser Eigenlogik und -gesetzlichkeit hat nicht nur staatstheoretischen Reiz. Erst mit diesem Wissen lassen sich überhaupt die oft versteckten oder leicht zu übersehenden je unterschiedlichen Voraussetzungen für ein Vereinsleben begreifen, das bisher auf mindestens vier gesellschaftspolitische Systeme reagiert. Gut die erste Hälfte davon spielte sich bis 1945 gleich in mehreren Perioden ab:

Periode eins (1879-1918) umfasst etwa 35 Jahre - plus vier Jahre Weltkrieg - im Deutschen Kaiserreich: Hier war der Verein als Akteur zwischen Selbsthilfe und Lobbyismus gleich in mehr Hinsicht an Weichenstellungen einer Professionalisierung seines Metiers beteiligt, denn Hamburg führte 1896 als letzter deutscher Staat Berufsbeamte ein, die eine Dekade später auch in die Bürgerschaft gewählt werden konnten.

Periode zwei (1918-1933) erstreckt sich über die folgenden 13 Jahre Weimarer Republik: von den Übergangsmonaten der Revolution über die ersten freien, geheimen und gleichen Wahlen bis zu deren Ergebnis einer ersten deutschen Demokratie. Ihr Beginn hätte für das deutsche Beamtentum als ein dem Gleichheitsgrundsatz widersprechender privilegierter Berufsstand das Ende bedeuten können.

Periode drei (1933-1945) ist markiert durch die nationalsozialistische Diktatur mit wieder einem verheerenden Weltkrieg mit katastrophalen Zerstörungen auch großer Teile Hamburgs inklusive des Vereinsbüros. Die Tätigigkeit kam vollends zum Erliegen.

Nach Wiederaufnahme der Geschäfte konnte der Verein seit 1945 die zweite Hälfte seines Bestehens als bislang stabilste vierte Periode im bundesrepublikanischen Hamburg, also im Zeichen der zweiten deutschen Demokratie gestalten.

Diese allgemeinen politischen Koordinaten auf Reichs- beziehungsweise Republik-Ebene sind nicht die einzig einflussnehmenden. Hinzu kommt eine Besonderheit, die die Freie und Hansestadt lange Zeit mit ihren Schwesterstädten Bremen und Lübeck geteilt hat: Durch die Eigenständigkeit als Stadtstaat hatte und hat Hamburg im Vergleich zu den Flächenstaaten eine Sonderstellung gerade in puncto Verwaltung. Gilt es auf der einen Seite also, Hamburg als lokale Spielstätte des Vereins sowohl in Orientierung auf Reich/Republik zu verstehen als auch im Kontext der europäischen Entwicklung, so steht das Kapitel Selbstverwaltung als Stichwort dafür, dass und warum das professionelle Berufsbeamtentum in Hamburg so spät eingeführt wurde und auch der öffentliche Dienst und seine Behörden bis heute einiges Gediegene aufweisen, das sich eben nur historisch erklären lässt.

Kaleidoskop


Anders verhält es sich mit dem flüchtigen Vereinsleben selbst - der Charakter des Mit- und Zueinander der Menschen lässt sich nicht so einfach aus dem Hut des Akten- und Quellenstudiums, der Zeitungsberichterstattung oder gar aus Überblicksdarstellungen hervorzaubern. So ist dieser wuchtige Auftakt verbunden mit einer großen Bitte um Mithilfe beim Sammeln von dem, was für die Leserinnen und Leser der Zeitschrift das ist, was den Verein auszeichnet. Denn der ist selbstverständlich mehr als die Summe seiner Teile: von der Satzung über die Beratungs- und Selbsthilfe bis hin zu dem vielfältigen Angebot. Er ist, inzwischen ein wenig im Verborgenen blühend, auch und vor allem Herzensangelegenheit, bedeutet Zuwendung und Geborgenheit, Fürsorge, Freizeitgestaltung und Erweiterung des geistigen Horizonts. In diesem besten Sinne steht er für eine besondere Lebensform, die sich erst in dem bunten Kaleidoskop der erlebten und erzählten Geschichten, erinnerungswürdigen Erlebnisse oder Bilderwelten entfaltet und so zumindest ansatzweise nachvollziehen lässt. Kurzum: Ich suche nach bis jetzt versteckten Perlen der Vereinsgeschichte und freue mich über alle Schatullen, die dahingehend geöffnet werden, oder auf Tipps, die mir den Weg zu weiteren ,Muschelbänken' weisen.

Fundstück


Dass Technik und Kunst des Perlenfischens im Verein bereits vor 145 Jahren hoch im Kurs standen, zeigt eine auf den ersten Blick für Staatsbeamte verblüffende Annonce aus dem Hamburgischen Correspondenten. Ein zweiter Blick verrät, dass der Verein damit im zweiten Jahr seines Bestehens durchaus am Puls der Zeit war. So führte beispielsweise Sachsen, das seit dem 16. Jahrhundert im Flussperlen-Geschäft war und darin mit einer Ausbeute von etwa 22.700 Perlen zwischen 1719 und 1879 so ziemlich an der Spitze stand, bei der Berliner Fischerei- Ausstellung des Jahres 1880 erstmals auch seine Zuchtperlen vor. Die Hamburger Vereinsmitglieder, Nichtmitglieder waren auch zugelassen, ließen sich über dieses Thema von niemand Geringerem als dem Direktor des Zoologischen Gartens und Präsidenten des 1837 in Hamburg gegründeten Naturwissenschaftlichen Vereins informieren. Heinrich Bolau (1875 -1909), Biologe, vormals Lehrer an der Realschule des Johanneums und bedeutender Experte für menschenähnliche Affen, speziell für Gorillas, war der Überlieferung nach ein begnadeter Redner, der "über umfangreiches biologisches Wissen [verfügte], an dem er in ungewöhnlich vielen, schlichten, aber anziehenden und humorvollen Vorträgen seine Hörer teilhaben ließ. Nicht selten", heißt es weiter, "sprang er für einen plötzlich ausgefallenen Redner ein, indem er aus dem Museum einige Tiere holte, vorlegte und erklärte."2 Was genau er in diesem einladenden Stil am 13. Dezember in der Aula des Johanneums Ueber Perlen und Perlenfischerei zum Besten gab, wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben.

1 Aktuell präsentiert die Staats- und Universitätsbibliothek 150 Jahre nach der ersten Versammlung zu Pfingsten 1875 die Ausstellung: "Die Wissenschaft vom Niederdeutschen. Einblicke in die Werkstatt der niederdeutschen Forschung" (11.6.-21.7.2025), www.blog.sub.uni-hamburg.de/?p=40359
2 Herbert Weidner und Otto Kraus: Aus der Geschichte des Naturwissenschaftlichen Vereins in Hamburg. In: Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins Hamburg (N.F. 30/1988), S. 5-150, S. 58.


Autor: Myriam Isabell Richter

HBZ · 07/2025
 
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