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Generationenkonflikt oder Bereicherung?

Boomer und Generation Z im öffentlichen Dienst

Foto: (c) 32 pixels - stock.adobe.com
Foto: (c) 32 pixels - stock.adobe.com

Die einen steuern auf die Rente zu, die anderen müssen ihren Weg noch finden: Babyboomer ('Boomer') und Generation Z ('Gen Z'). Als Babyboomer bezeichnet der Jugendforscher Simon Schnetzer die zwischen 1955 und 1964 Geborenen. Die Gen Z wird auf die Jahre 1996 bis 2010 datiert. Sie wuchs als erste Generation digital auf, derweil Boomer noch vollständig analog groß wurden. Doch beide Altersgruppen müssen am Arbeitsplatz täglich miteinander auskommen - auch im öffentlichen Dienst.

In den Medien scheint die Konfliktlinie klar: hier die motivierte, leistungsbereite Nach-68er-Generation, dort der Nachwuchs, dem Work-Life-Balance, Homeoffice und Vier-Tage-Woche wichtiger sind. Wir haben zwei Kollegen, die zwischen beiden Generationen stehen, zu ihrem Erleben in der Praxis befragt. Jens-Uwe Adler, Zollbeamter und Personalratsmitglied, gehört mit 57 Jahren schon fast selbst zu den Boomern. Er beobachtet, dass "für die Generation Z die Sicherheit bei der Berufswahl nicht an erster Stelle" steht. Vielmehr "kündigen junge Menschen heute leichter bei ihrem öffentlichen Arbeitgeber als früher", fragen häufiger nach "dem Sinn" und dem "Warum der Tätigkeit". Doch fehle ihnen "manchmal die Geduld und der Respekt gegenüber der älteren Generation".

Marco Klein, Betriebsprüfer beim Finanzamt, war fast sieben Jahre Ausbilder und ist mit 33 Jahren selbst ein Millennial (Generation Y). Er nimmt die Gen Z "als grundsätzlich aufgeschlossen, weltoffen und interessiert" wahr, "insbesondere im Hinblick auf gesellschaftliche, politische und ökologische Missstände". Den starken Fokus "auf das Thema Work-Life- Balance" sieht allerdings auch er. Doch auch mit der älteren Generation hat er nicht nur positive Erfahrungen gemacht: "Althergebrachte Sichtweisen einiger Boomer, die gesellschaftlich längst überholt sind oder dringend auf den Prüfstand gehören, stören mich beruflich wie privat." Einige beobachtete Verhaltensweisen wie etwa "Auszubildende niedere Arbeit verrichten zu lassen oder sie geringschätzig zu behandeln, machen mich mitunter wütend."

Jens-Uwe Adler gehört mit 57 Jahren zur Generation X (l), Marco Klein, Betriebsprüfer und Millenial (Generation Y) (r
Jens-Uwe Adler gehört mit 57 Jahren zur Generation X (l), Marco Klein, Betriebsprüfer und Millenial (Generation Y) (r

Interview mit einem Experten

Christoph Lucks, mit ebenfalls 57 Jahren wie Adler zur Generation X (1965 bis 1980) gehörend, arbeitet als Leiter der Abteilung Personalmanagement im Personalamt der Freien und Hansestadt Hamburg. Vor Kurzem veröffentlichte er in der Blickpunkt Personal (Ausgabe 02/2023) einen Artikel zum Thema Babyboomer und Generation Z. Wir haben ihn für die HBZ interviewt.

HBZ: Herr Lucks, wie sind Sie auf das Thema "Babyboomer vs. Generation Z" gekommen?
C.L.: Eine unserer Hauptaufgaben ist die Auswahl von Nachwuchsführungskräften für die allgemeine Verwaltung. Darüber hinaus begleiten wir die Nachwuchskräfte in den ersten Jahren ihres Karriereweges in Seminaren und Fortbildungen. Im Personalamt verantworten wir aber auch das zentrale Personalmarketing für die Stadt und entwickeln Strategien gegen den allgegenwärtigen Fachkräftemangel. Da ist es unumgänglich, sich mit den Perspektiven und Sichtweisen der jüngeren Generationen auseinanderzusetzen.

HBZ: Was sind Ihre (beruflichen) Erfahrungen mit Menschen der Generation Z?
C.L.: Ich will nicht der Versuchung erliegen, zu stark Klischees zu bedienen. Was ich aber - bei aller Gefahr der Verallgemeinerung - sagen kann, ist, dass ich die Menschen der Generation Z als motiviert, engagiert und tatkräftig wahrnehme. Sie wissen um ihren Wert und ihre Fähigkeiten, treten durchaus selbstbewusst auf, wünschen sich Sinn in der Arbeit, eine möglichst große Übereinstimmung mit ihren persönlichen Werten und Gestaltungsmöglichkeiten. Sie sind einsatzfreudig, aber nur bedingt bereit, sich für den Beruf "aufzuopfern". Wenn eine Tätigkeit ihren Wünschen und Vorstellungen nicht entspricht, orientieren sie sich neu.

HBZ: Wie sieht es mit der Gruppe der Boomer aus?
C.L.: Auch hier gilt: Menschen sind höchst unterschiedlich, auch Menschen einer Generation. Was ich für "meine" Generation sagen kann, ist, dass wir - so empfinde ich es - bezogen auf die Arbeit etwas "demütiger" und kompromissbereiter gewesen sind, was auch damit zu tun hat, dass - jedenfalls zu meiner Zeit - der Arbeitsmarkt recht "eng" war und es auch für gute Absolvierende keineswegs gewiss war, dass es mit einem guten und adäquaten Job sehr rasch klappt. Die Karrierebereitschaft war meines Erachtens ausgeprägter, berufliches Vorankommen als Ziel automatischer und "unhinterfragter" bei vielen vorhanden. Als leistungsbereit habe ich meine Generation ebenso wahrgenommen wie die Generation Z - Babyboomer waren und sind möglicherweise duldsamer und bringen eine höhere "Frustrationstoleranz" mit, ohne dass ich das bewerten will.

HBZ: Die Generation der Boomer geht in absehbarer Zeit in Rente. Damit ihr Erfahrungsschatz nicht verloren geht, muss ihr Wissen an die Nachrückenden weitergegeben werden. Ist die Generation Z bereit, von den Boomern zu lernen?
C.L.: Das glaube ich schon. Auf beiden Seiten geht aus meiner Perspektive aber noch etwas mehr in puncto "Verstehen-Wollen" und "Hinhören". Boomer schimpfen mitunter über die "jungen Wilden", sie seien zu forsch, ungeduldig, stellten zu viel infrage. Die Generation Z nimmt die Älteren wiederum mitunter als engstirnig, zu regelorientiert, unflexibel, innovationsunwillig wahr. Wichtig ist aus meiner Perspektive, dass die Generationen "auf Augenhöhe" und mit ehrlichem Interesse aneinander ins Gespräch kommen. Da hilft weder das vorschnelle Vorurteil der Jungen, die Verwaltung sei ein unmoderner, innovationsunwilliger "Tanker", noch der unreflektierte Satz der Älteren "Lehrjahre sind keine Herrenjahre".

Christoph Lucks, Leiter der Abteilung Personalmanagement im Personalamt der FHH, Foto: (c) Personalamt Hamburg
Christoph Lucks, Leiter der Abteilung Personalmanagement im Personalamt der FHH, Foto: (c) Personalamt Hamburg

Wichtig ist, dass die Generationen mit ehrlichem Interesse aneinander ins Gespräch kommen

HBZ: Was kann die Gen Z von den Boomern lernen?
C.L.: Geduld, Durchhaltevermögen, eine gewisse Frustrationstoleranz und auch ein gewisses Maß an Pragmatismus und Nüchternheit sind Eigenschaften, die man - nicht zu Unrecht - den Babyboomern zuschreibt. Und ja, das sind Eigenschaften, die man gerade in der öffentlichen Verwaltung braucht. Gleichzeitig sollten Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit, auch Mut zum gelegentlichen Risiko dabei keineswegs verloren gegen - und da sind die Jüngeren mitunter vorn.

HBZ: Wo können die Boomer von der Gen Z profitieren?
C.L.: Siehe oben! Leidenschaft, Begeisterungsfähigkeit, der Mut, einfach mal zu machen - und das Infragestellen gewohnter Sichtweisen, Prozesse und Verfahrensweisen und auch Normen, im Sinne von: Was ist der tiefere Sinn? Worin begründet sich diese Vorgehensweise und diese Regelung jenseits des "Das war schon immer so" oder der Aussage "Steht halt im Gesetz"? Das Infragestellen gewohnter Sichtweisen und Verfahrenswege ist nicht immer einfach. Gleichzeitig wird unsere Welt immer komplexer und komplizierter und so sind auch unorthodoxe Herangehensweisen vielfach notwendig, um noch adäquate Antworten auf aktuelle Herausforderungen zu finden. Hier legen die Jüngeren vielfach den "Finger in die Wunde".

HBZ: Was zeichnet Nachwuchskräfte der heutigen Generation aus und was bedeutet das für ihre Integration in den öffentlichen Dienst?
C.L.: Die jüngeren Kolleginnen und Kollegen, die zu uns kommen, bringen in aller Regel eine gute Schulbildung, eine qualifizierte Ausbildung oder einen exzellenten Studienabschluss mit. Sie sind leistungsbereit, gestaltungsfreudig, oft mutig und selbstbewusst, kennen häufig auch andere Kulturen. Unsere Aufgabe und zugleich Herausforderung ist es, sie gut onzuboarden, sie mit den Grundprinzipien und der "Kultur" der Verwaltung vertraut zu machen, dies aber so zu tun, dass keine negative Sozialisation in der Weise passiert, dass Schwung, Schaffensdrang und Innovationsbereitschaft im Laufe der Jahre erlahmen.

HBZ: Zur Mentalität: Boomern wird nicht selten Leistungsbereitschaft bis zum Burn-out unterstellt, während die Gen Z zunächst nach Urlaub oder Vier-Tage-Woche frage, also die Freizeitmöglichkeiten in den Mittelpunkt stelle: Wie sehen Sie diese Klischees, entsprechen sie der Realität?
C.L.: Ich sage mal so: Jedem Klischee wohnt ein Stückchen Wahrheit inne. Ich glaube auch, dass Babyboomer insgesamt weniger stark auf Work-Life-Balance schauen, eher stolz darauf sind, sich grundsätzlich nicht krankzumelden, bei aller Leistungsbereitschaft aber mitunter auch zu wenig selbstfürsorglich unterwegs sind. Und ja, die Generation Z achtet eher auf eine gute Lebensbalance, fragt nach den Benefits, die ein Arbeitgeber bietet, weiß um ihren Wert auf dem Arbeitsmarkt. Vielleicht kann man auch sagen, dass es der Generation Z etwas weniger auf eine Karriere, sondern stärker auf eine erfüllte und als sinnstiftend empfundene Tätigkeit ankommt. Das ist doch hochsympathisch … Abschließend bleibe ich dabei: Wir sollten weniger mit Unverständnis, Kopfschütteln und "bewertend" aufeinander schauen, sondern miteinander gut im Dialog sein - darüber, was gute Verwaltung ausmacht, was an Grundprinzipien der öffentlichen Verwaltung wichtig und bewahrenswert ist und wo wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und auch im Sinne einer attraktiven Arbeitgeberin besser, flexibler, schneller, effizienter werden können und was es dazu für Ideen gibt.

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Autor: Reinhard Schwarz
Fotos: (c) 32 pixels, Marco Klein (c) Reinhard Schwarz, Jens-Uwe Adler (c) Windmueller/dbb, Christoph Lucks (c) Personalamt Hamburg

HBZ · 11/2023
 
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