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Entstehung und Zwischenbilanz

Der neue Hamburg Service vor Ort

Seit Januar 2022 in der Spitalerstraße: Der Hamburg Service Standort City, Foto: (c) BWFGB
Seit Januar 2022 in der Spitalerstraße: Der Hamburg Service Standort City, Foto: (c) BWFGB

Schlechte Nachrichten schreckten 2016 den rot-grünen Senat auf: 'Kundenzentren laufen Mitarbeiter weg', titelte eine Zeitung, 'Keine Termine mehr für Bürger', eine andere. Die Diagnose in Kurzform: 'Personal überlastet, Bürger stinksauer.' Fotos mit langen Schlangen vor den Kundenzentren sollten die Misere dokumentieren: Der Senat habe die Situation nicht mehr im Griff, so die Botschaft.

Es folgte eine Phase der Umorientierung und Neuorganisation der Kundenzentren sowie der Ämter für Ausländerangelegenheiten. Das Ergebnis war eine Umstrukturierung der Kundenzentren, die nun nicht mehr den Bezirksämtern unterstellt sind, sondern zentral der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke (im Folgenden: Wissenschaftsbehörde). Das neue Organisationskonzept wurde im Frühjahr 2023 unter dem Namen "Hamburg Service vor Ort" präsentiert. Mit der zum 1. April 2023 neu aufgestellten Organisationseinheit wurden "die Standorte der Fachbereiche Einwohner- und Ausländerangelegenheiten, ehemals Kundenzentren genannt, sowie das Zentrale Meldewesen, die bisher bei den sieben Bezirksämtern angebunden waren, gebündelt".

Vom Kundenzentrum zum Hamburg Service vor Ort

Bis dahin war es allerdings ein langer Weg. Im Februar 2017 forderten die Koalitionspartner SPD und Grüne in einem Antrag vom Senat eine "Angebotsoffensive für Hamburgs Kundenzentren" (Drs. 21/7805). Als Ziele wurden unter anderem genannt: schnellere Terminvergabe, einheitliche und längere Öffnungszeiten und Ausweitung der digitalen Angebote. Zwar habe sich die Situation gegenüber 2016, als infolge von Personalengpässen zeitweise "in einzelnen Kundenzentren über Monate keine Termine mehr frei" waren, nach einer "Einstellungsoffensive" etwas normalisiert und die Vorlaufzeiten bei der Terminvergabe sowie die Wartezeiten für Spontankundinnen und -kunden deutlich verringert.

Doch dabei dürfe man nicht stehen bleiben: "Eine bürgernahe und dienstleistungsorientierte Verwaltung muss sich heute stärker an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientieren." Dazu gehöre auch die Möglichkeit, "außerhalb der normalen Arbeitszeit und möglichst auch von zu Hause aus noch mehr Behördenangelegenheiten zu erledigen". SPD und Grüne forderten deshalb, dass alle Kundenzentren "deutlich vor 9 Uhr und deutlich nach 17 Uhr sowie auch über die Mittagszeit Termine anbieten" und spontane Besuche in den Kundenzentren möglich sein müssten.

Mit diesem Antrag begann der Prozess, der letztlich im Hamburg Service vor Ort (im Folgenden: Hamburg Service) mündete. Noch im Jahr 2017 wurde das Projekt "Neuorganisation der KuZ Hamburg" initiiert, betreut von der Kasse.Hamburg. Im Laufe des Jahres 2018 stellten die meisten Kundenzentren ihre Öffnungszeiten nach und nach auf 60 Wochenstunden um und waren seitdem montags bis freitags von 7 Uhr bis 19 Uhr geöffnet.

Im Januar 2021 legte die PD, die "Inhouse-Beratung der öffentlichen Hand" - Gesellschafter der privatrechtlich organisierten GmbH sind unter anderem der Bund, Länder, Kommunen sowie Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts - einen Evaluationsbericht zum Projekt vor. Darin wurde unter anderem eine "bezirksübergreifende operative Steuerung mit Weisungsrecht und täglichem Controlling" empfohlen. Die "alten" Kundenzentren, bisher bei den Bezirksämtern angesiedelt und dezentral organisiert, sollten fortan einer zentralen Leitung unterstellt werden. Dadurch ergebe sich auch "die Möglichkeit eines flexiblen Personaleinsatzes über verschiedene Kundenzentren hinweg, um Schwankungen in der Kundennachfrage oder bei der Personalkapazität auszugleichen". Im Oktober 2021 wurde das Gutachten der Bürgerschaft vorgelegt und diese zugleich darüber informiert, dass die Leitung des Projekts fortan nicht mehr bei der Finanzbehörde - genauer: der Kasse.Hamburg - liege, sondern der Wissenschaftsbehörde übertragen wurde (Drs. 22/6161).

Belastung für die Beschäftigten

Was bedeutete die Entwicklung aber nun für die Beschäftigten? Für sie war die Situation offenbar mit hohen Belastungen verbunden. Daran übte zum Beispiel der Deutsche Beamtenbund (dbb) im Oktober 2021 harsche Kritik. Zwar sei "nach dem Einsparwahn der Jahre 2012 bis 2016" eine Phase der Beruhigung eingetreten, diese habe aber nicht lange angehalten. Die "Ausweitung der Öffnungszeiten auf 60 Stunden wöchentlich, noch dazu abzuleisten im Schichtdienst", habe vielmehr zur Folge gehabt, dass "nahezu das gesamte Personal in den Kundenzentren ausgetauscht wurde, weil der überwiegende Teil der alteingesessenen Kolleginnen und Kollegen schlichtweg genervt" gewesen sei "vom ewigen Organisationschaos". Die Situation habe zu einer "Wegbewerbungswelle" geführt.

Selten so leer - der Hamburg Service Mitte in der Caffamacherreihe, Foto: (c) Mirko Hannemann
Selten so leer - der Hamburg Service Mitte in der Caffamacherreihe, Foto: (c) Mirko Hannemann

Weiter ein Politikum

Im September 2022 teilte der Senat schließlich mit, dass die Hamburger Kundenzentren als Hamburg Service neu aufgestellt werden sollten. Anja Quast, bezirkspolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, betonte anlässlich dessen die erreichten Fortschritte in Sachen Kundenfreundlichkeit und Personalausstattung: "Hamburgs Kundenzentren haben in den vergangenen Jahren einen Quantensprung nach vorne gemacht und ihren Service ganz erheblich verbessert. Im Rahmen der in der Bürgerschaft angestoßenen Angebotsoffensive konnten wir die Personalkapazitäten in den Kundenzentren deutlich erhöhen." Laut Evaluation seien "rund 93 Prozent der Kundschaft mit den Kundenzentren zufrieden, das ist ein außergewöhnlicher Wert und ein tolles Zeugnis für die Bezirksämter und ihre Beschäftigten, die in einem Kraftakt, auch unter pandemischen Bedingungen, Großes geleistet haben".

Doch auch die Opposition ließ das Thema nicht aus den Augen. Mehrfach war die Entwicklung der Kundenzentren und später des Hamburg Service Gegenstand Schriftlicher Kleiner Anfragen. So kritisierte z. B. der Bürgerschaftsabgeordnete André Trepoll (CDU) im August 2023 das positive Bild, das der Senat von den Ergebnissen der Neuorganisation der Kundenzentren zeichne, als nicht zutreffend. Er monierte noch immer zu lange Wartezeiten an einzelnen Standorten sowie die "mangelnde Anwenderfreundlichkeit" bei der Onlinebuchung von Terminen. Mit dieser Begründung erschien es ihm erstaunlich, "dass die zuständige Senatorin kürzlich verkündete, dass nach der jüngsten Kundenbefragung 94 Prozent der Teilnehmenden mit der Hamburger Verwaltung zufrieden seien" (Drs. 22/12740).

Besucherzahlen und Wartezeiten

Interessanter als dieses politische Geplänkel sind die Zahlen, die der Senat in seiner Antwort lieferte. Aus ihnen werden die Auslastung des Hamburg Service sowie die Leistung der Kolleginnen und Kollegen deutlich. So besuchten etwa im Juli 2023 mehr als 74.500 Bürgerinnen und Bürger einen der 18 Standorte des Hamburg Service, unter denen der Standort Wandsbek mit 7.438 Besucherinnen und Besuchern am stärksten frequentiert war.

Dabei hielten sich die Wartezeiten vor Ort laut den Zahlen des Senats in Grenzen: Im Alstertal lagen sie im Juli bei durchschnittlich nur 1:42 Minuten, an neun anderen Standorten zwischen 2 und 4 Minuten, höchstens bei 6:42 Minuten. Für die meisten Bürgerinnen und Bürger dürften diese Wartezeiten zufriedenstellend sein. Interessanter war für viele sicher, wie lange sie zuvor auf ihren Termin hatten warten müssen (Terminvorlaufzeit). Laut Senat mussten sich die Bürgerinnen und Bürger an nur zwei Standorten durchschnittlich länger als 14 Tage gedulden (maximal 15,56), an 13 von 18 Standorten weniger als 10. Wer Bekannte in Berlin oder Bremen hat, wird ganz andere Erzählungen kennen.

Personalsituation

Gleichwohl fehlten den meisten Standorten zu diesem Zeitpunkt etwa ein bis zwei Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einem Stellen- Soll von insgesamt 358 stand ein Besetzungsumfang von 319,11 Stellen gegenüber. Besonders gravierend war die Lage im Hamburg Service City: Dort waren von 49 Planstellen zum 1. August 2023 nur 31,72 Stellen besetzt. So liegt die Vermutung nahe: Die Arbeitssituation für viele Kolleginnen und Kollegen vor Ort bleibt belastend.

Eine erste Zwischenbilanz

Wie also sieht es nun aktuell aus, ein Dreivierteljahr nach Einführung des Hamburg Service? Auf Anfrage der HBZ zeigte sich die Wissenschaftsbehörde mit der Entwicklung der Servicequalität zufrieden: "Die Kundenzufriedenheit ist durchgehend sehr hoch, das Dienstleistungsvolumen konnte erheblich gesteigert werden."

Etwas verhaltener war die Rückmeldung zur Personalsituation und Belastung der Beschäftigten. Das Personal sei "ausreichend" und "im Sommer in der Hochsaison etwa waren 87,9 Prozent des Personals aktiv ohne Einsatzunterbrechung im Einsatz". Natürlich sei auch der Hamburg Service vom allgemeinen Fachkräftemangel betroffen, doch durch "die Option, Personal flexibel an unterschiedlichen Standorten einzusetzen, und ein neues Ausbildungskonzept, das mehr Auszubildende parallel betreut, sowie die zunehmende Digitalisierung" werde dem Fachkräftemangel entgegengewirkt.

Doch ganz offenbar herrscht weiterhin Bedarf: In der Tarifeinigung mit den Beschäftigten der Länder ist die Gesprächszusage für eine Stadtstaaten-Zulage dezidiert auf Beschäftigte bezogen, "die insbesondere bürgernahe Dienste wahrnehmen, […] in der Freien und Hansestadt Hamburg in der Regel in den Bezirksämtern bzw. Kundenzentren". Die Kolleginnen und Kollegen hätten diese Zulage angesichts ihrer guten Arbeit sicher schon jetzt verdient.

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Autor: Reinhard Schwarz
Fotos: City (c) BWFGB, Hamburg-Mitte (c) Mirko Hannemann/Public Address, Plakat (c) Raffael Winkel

HBZ · 01/2024
 
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